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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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reichen.«
    Mutter Victoria irrte. Die Wölfe Gottes hatten sehr wohl Beziehungen, die so weit nach oben reichten. Doch Cloister nickte nur schweigend.
    »Schwester Katherine wartet an der Tür. Wenn Sie etwas brauchen, können Sie sich an sie wenden. Wenn Ihre Zeit um ist, werde ich Ihnen Bescheid geben.« Die Nonne warf Daniel einen liebevollen Blick zu. »Mach dir keine Sorgen, mein Sohn, der Pater ist ein Freund von uns und wird dir nichts tun. Er möchte dir nur ein paar Fragen stellen, einverstanden?«
    Der alte Mann gab einen schwer zu interpretierenden Laut von sich, doch Schwester Victoria nahm ihn als Ja und fuhr fort: »So ist es gut. Nachher bringe ich dir deine Lieblings-plätzchen.«
    Daniel fuhr zusammen, als die Tür ins Schloss fiel, obwohl die Oberin sie ganz sanft geschlossen hatte. Cloister setzte sich auf den einzigen Stuhl im Zimmer.
    »Hallo, Daniel.«
    »Hal-lo.«
    »Was Schwester Victoria gesagt hat, stimmt«, sagte der Priester. Angesichts von Daniels fragendem Blick fuhr er fort: »Ich will dir nichts Böses. Ich möchte dir nur ein paar Fragen stellen, und dann gehe ich wieder. Was meinst du?«
    Der Alte nickte mit zusammengepressten Lippen.
    »Na gut.«
    »Du musst versuchen, dich an etwas zu erinnern. Es ist unangenehm, aber es ist ja schon vorbei. Verstehst du mich?«
    »Ja.«
    »Fein. Erinnerst du dich an deine Unterhaltungen mit Dr. Barrett?«
    »Audrey ist … meine Freundin. Sie ist … schon lange … nicht mehr … gekommen. Ich ver-misse sie.«
    Offenbar hatte man dem Ärmsten nicht erklärt, dass sie verschwunden war, und alles andere natürlich auch nicht.
    »Sie hat mir gesagt«, log Cloister, um Daniels Vertrauen zu gewinnen, »dass du manchmal wie jemand anderes sprichst.«
    »Wie … jemand anderes?«, fragte der Alte erschrocken.
    »Ja. Anders als du sonst sprichst.«
    »Ich hab nicht …«
    Der arme Mann begriff gar nicht, was mit ihm geschehen war. Er begriff gar nichts, und er hatte Angst. Der Priester erkannte, dass er so nicht weiterkommen würde. Er beschloss, einen letzten Versuch zu unternehmen, Kontakt zu dem We-sen aufzunehmen, das durch den alten Mann gesprochen hat-te.
    »Kannst du es jetzt tun? Bist du das Wesen aus der Krypta unter dem Vendange Building? Bist du hier?«
    »Nein … Ich …«
    Daniel begann zu schluchzen, erschrocken über das unbe-greifliche Verhalten seines Gesprächspartners, den er nicht kannte, der ihn aber an Pater Gómez erinnerte, den Exorzisten, der ihn so gequält hatte. Unvermittelt ging sein Schluchzen in einen rauhen Husten mit einem pfeifenden Atemgeräusch über.
    »Ganz ruhig, Daniel, ganz ruhig. Vergiss einfach, was ich gesagt habe, ja? Nur noch eins, und dann lasse ich dich in Ruhe. Ich sage dir ein paar Wörter, und du musst mir sagen, ob sie dich an irgendetwas erinnern oder was sie bedeuten. Ich sage dir jetzt das erste: der Clown mit den gelben Luftballons.«
    Nichts.
    »Fishers Island.«
    Nichts.
    »New London.«
    Nichts.
    »Kennst du gut.«
    Nichts.
    »Eugene.«
    »Das ist … der … Audreys kleiner Junge!«
    »Der Name des Sohns von Dr. Barrett? Von Audrey?«
    »Ja. Das hat … er mir gesagt.«
    »Weißt du noch etwas darüber?«
    »Nein. Nur … das. Das ist … ihr kleiner Junge.«
    »Hat er dir sonst noch etwas gesagt?«
    »Nein …«
    Der Jesuit schnaubte beinahe unhörbar.
    »Danke, Daniel. Verzeih mir, dass ich dich damit belästigt habe. Es tut mir leid, aber es musste sein.«
    Ehe Cloister ging, fiel sein Blick auf den Blumentopf mit dem einen trockenen Stengel, der bei Daniel auf der Fensterbank stand. Das musste die Rose sein, von der er sich laut Dr. Barretts Notizen niemals trennte. Seine tote Rose.
    »Sind Sie schon fertig?«, fragte die junge Schwester Katherine, als sie Cloister aus dem Zimmer kommen sah.
    Cloister antwortete nicht. Er lächelte sie lediglich so freundlich an, wie es ihm im Augenblick möglich war, und ging, ohne sich umzublicken. Daniel hatte ihm nur eine Information gegeben: Eugene war Dr. Barretts Sohn. Wie erwartet blieb ihm nun nichts mehr übrig, als Dr. Barrett selbst im Krankenhaus von New London aufzusuchen.
    Als Schwester Victoria nach genau einer Stunde erschien, konnte ihr die junge Nonne lediglich sagen, dass Pater Cloister bereits über eine halbe Stunde zuvor gegangen war. Ihre Miene umwölkte sich, obwohl sie nicht wusste, warum.

39
    New London
    Der Haupteingang des Krankenhauses befand sich in einem Gebäude, das ein wenig an orientalische Architektur erinnerte, mit

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