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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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Psychiaterin zu führen, als er befürchtet hatte. Im Augenblick blieb ihm nur, direkt auf den alten Daniel zurückzugreifen. Mutter Victoria zum Trotz. Der Priester überlegte, ob er gleich eine Genehmigung beim Vatikan einholen oder lieber zuerst mit der Nonne sprechen soll-te. Auf keinen Fall wollte er ihr Unannehmlichkeiten bereiten oder Daniel unnötig Leid zufügen. Wenn er doch nur darauf verzichten könnte. Aber das konnte er nun nicht mehr. Man hatte ihn beauftragt, zu ermitteln und dabei nach eigenem Gutdünken zu verfahren, bis er sein Ziel erreichte oder in einer Sackgasse landete. Zwar hatte er zwischendurch mehrfach das Gefühl gehabt, in einer Sackgasse gelandet zu sein, doch nun war er sicher, dass das Ziel nahe war.
    Cloister hielt das Adressbuch in der Hand, es war beim Buchstaben V aufgeschlagen. Er sagte sich, es sei besser, die Nonne offen von seinem Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Wenn er sich über ihre Wünsche hinwegsetzte, dann wenigstens mit Anstand und ohne damit hinter dem Berg zu halten. Das hatte diese bewundernswerte, mutige Frau verdient. Es machte ihm nichts, wenn er die Verantwortung für den Kon-flikt, der sich sicherlich ergeben würde, übernehmen musste.
    »Schwester Victoria?«, fragte Cloister, als man ihn durchgestellt hatte.
    »Freut mich, Ihre Stimme zu hören. Wissen Sie etwas Neues?«
    »Ich fürchte nein …« Dann überlegte er es sich anders. »Ehrlich gesagt, doch. Bitte sagen Sie es niemandem weiter. Dr. Barrett ist bei Bewusstsein.«
    »Außer Gefahr?«
    »Nein. Aber sie liegt nicht im Koma. Ich dachte, das wür-den Sie gerne wissen.«
    »Aber natürlich. Das ist wirklich eine erfreuliche Nachricht bei all dem Schlimmen, was passiert ist.«
    »Ja. Ja, das ist es. Aber ich fürchte, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, wird Ihnen gar nicht gefallen, Schwester.«
    Die Nonne schwieg. Cloister hätte schwören können, dass sie eine Art Seufzer, vielleicht in gespannter Erwartung, ausgestoßen hatte.
    »Schwester Victoria«, fuhr Cloister fort, »Sie müssen mir erlauben, mit Daniel zu sprechen.«
    »Nein!«, entgegnete sie kategorisch. »Ich habe schon damit gerechnet, dass Sie mich darum bitten, aber ich kann es Ihnen nicht erlauben. Daniel hat genug gelitten. Reicht das nicht?«
    »Doch, und ich weiß, wie sehr er gelitten hat. Glauben Sie mir, Schwester, wenn es nicht absolut notwendig wäre, wür-de ich Sie nicht darum bitten.«
    »So wichtig sind Ihre Ermittlungen?«
    »Ja. Das versichere ich Ihnen.«
    »Ich kann es Ihnen trotzdem nicht gestatten. Daniel ist wichtiger als jede Untersuchung. Ich werde es Ihnen nicht erlauben. Sie haben mir versprochen, dass Sie ihn außen vor lassen. Sie haben mir Ihr Wort gegeben.«
    »Ich habe Ihnen versprochen, dass ich alles tue, was in meiner Macht steht. Dann muss ich mich eben an den Vatikan wenden, und das tut mir aufrichtig leid.«
    Mutter Victoria schwieg. Sie wirkte nicht verärgert, jedenfalls ließ sie sich nichts anmerken. Gelassen sagte sie: »Wenn das so ist, dann tun Sie das, und ich werde gehorchen. Ich bitte Sie allerdings, davon abzusehen.«
    »Ich muss es tun. Über meine Beweggründe darf ich Ihnen nichts verraten, aber ich muss es tun. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich keine andere Wahl habe.«
    »Nun denn, Pater. Ich muss zu meinen Gebeten zurück. Danke, dass Sie mir mitgeteilt haben, wie es der armen Aud-rey geht.«
    Cloister hatte ein schlechtes Gewissen, und dies nicht zum ersten Mal. Wenn man für die Wölfe Gottes arbeitet, bewegt man sich häufig dort, wo die Wege des Herrn am unergründ-lichsten sind. Doch so unerfreulich diese Sache sein mochte, so notwendig war sie zugleich. Deshalb zögerte der Priester nicht, Kardinal Franzik persönlich zu bitten, Mutter Victorias Verbot für ihn aufzuheben.
     
    Daniel lag im Bett und erschrak zu Tode, als Pater Cloister in Begleitung der Oberin ins Zimmer trat. Die Nonne hatte dem Wunsch des Paters aufgrund ihrer Gehorsamspflicht stattgeben müssen. Doch sie war keineswegs einverstanden mit dieser Begegnung. Der Gesundheitszustand des alten Gärtners wurde immer prekärer, und sein schlichter Geist hatte mehr erlitten, als er begreifen konnte.
    »Danke, Schwester«, sagte Cloister demütig und zugleich traurig darüber, dass er sie hierzu hatte zwingen müssen.
    »Denken Sie daran, Pater: eine Stunde. Wenn Sie mehr Zeit wollen, werden Sie den Heiligen Vater selbst bitten müs-sen, es mir zu befehlen. Und ich bezweifle, dass Ihre Beziehungen so weit nach oben

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