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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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verderbliche Präsenz gespürt.
    »Wir wollen niederknien und mit den Litaneien beginnen«, sagte der Exorzist. »Du nicht, Daniel.«
    Das hätte Daniel auch gar nicht gekonnt – er war ja ans Bett gefesselt. Der Gärtner schwitzte. Schweiß tropfte ihm von der Stirn in die Augen, doch mit seinen gefesselten Hän-den konnte er ihn nicht abwischen. Audrey sah seinen flehen-den Blick und wäre beinahe aufgestanden, um ihm selbst den Schweiß zu trocknen. Doch sie tat es nicht, denn sie wusste, dass der Exorzist sie dann aus dem Zimmer werfen würde. Feige richtete sie den Blick zu Boden, unfähig, Daniels Qua-len länger mit anzusehen.
    »Herr, erbarme dich unser. Herr, erbarme dich unser.«
    Mit diesen Worten begann Pater Gómez eine lange, monotone Litanei, in der er Gott, die Jungfrau, die Engel und sämtliche Heiligen anflehte, sich für Daniel einzusetzen. Das Gebet schloss mit den Worten: »Christus, erhöre uns.« In die-sem Moment hob Audrey, deren bloße Knie bereits schmerzten, den Blick wieder zu Daniel. Er sah sie unverwandt an. Und Audrey hätte gar nicht erst die stummen Worte: »Hier bin ich« von seinen Lippen ablesen müssen, um zu wissen, dass der Teufel erneut Besitz von seinem Körper ergriffen hatte. Pater Gómez bemerkte weder dies, noch sah er, dass Audrey die Beine zitterten, als sie sich erhob. Er sagte: »Lasset uns beten. Gott, Dir ist es eigen, immer Barmherzigkeit und Nachsicht walten zu lassen. Nimm unser Flehen gnädig an, damit dieser Dein Diener Daniel, der durch seine Verfehlun-gen gefesselt ist, durch Deine erbarmende Liebe befreit werde. Durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.«
    »A-men«, stammelte Audrey.
    Der unschuldige Gärtner war nicht mehr bei ihnen. Seinen Körper bewohnte nun das Wesen, das ihn seit dem Brand des Klosters quälte. Mit diesem Brand hatte der Strom unvorstellbarer Ereignisse eingesetzt, die zu diesem Exorzismus geführt hatten – nun maßen sich die Kräfte von Gut und Böse im Kampf. Denn die beiden Widersacher befanden sich bereits auf dem Schlachtfeld.
    »Guten Tag, Pater Gómez«, sagte der veränderte Daniel spöttisch – eine Parodie der Höflichkeit.
    Während er sprach, betrachtete er neugierig die Riemen, die ihn ans Bett fesselten.
    »Endlich wagst du es, dich zu zeigen, feiger Satan!«
    Audrey musste einräumen, dass der Exorzist die Anwesenheit des Teufels sofort bemerkt hatte und sich davon nicht einschüchtern ließ. Sie wünschte sich, diese Standhaftigkeit möge anhalten und er möge nicht an seinem übermäßigen Selbstvertrauen scheitern.
    »Du nennst mich feige, Priester?«
    Daniel sprach in scherzhaftem Ton, doch der Exorzist ignorierte seine Worte, wie man es ihm beigebracht hatte. Er packte das Büchlein noch fester und las: »Seht, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden.«
    »Du antwortest mir nicht? Du weigerst dich, mir zuzuhö-ren?«, fragte Daniel.
    Pater Gómez wurde lauter: »Du, Herr, bist meine Zuflucht. Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht im Schatten des Allmächtigen, der sagt zum Herrn: ›Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, dem ich vertraue.‹ Du, Herr, bist meine Zuflucht.«
    »Das hat dieses arme Mädchen in Guatemala auch gedacht … Dass der Herr ihre Zuflucht wäre. Arme Närrin …«
    Der Exorzist zauderte. Er schwieg nicht einmal eine Sekunde, ehe er mit seinem Text fortfuhr, doch Audrey bemerkte es.
    »Er rettet dich aus der Schlinge des Jägers und aus allem Verderben …«
    »Sie wohnte da in einer verseuchten Hütte«, fuhr Daniel in hinterhältigem Ton fort. »Sie war erst zwölf Jahre alt, nicht wahr?«
    Audrey entfernte sich noch weiter von Daniel. Er saß nach wie vor mit ausgestreckten Armen auf der Bettkante. Doch nun wirkte die Ähnlichkeit mit dem gekreuzigten Christus blasphemisch. Daniel verströmte eine beinahe körperliche Bösartigkeit, an der Audrey sich anzustecken fürchtete. Pater Gómez hingegen gab sich weiter standhaft. Allerdings hätte Audrey geschworen, dass er sich die Ohren zugehalten hätte, um Daniels boshafte Worte nicht hören zu müssen, wenn er nicht das Ritualbüchlein in Händen gehalten hätte.
    »… Er beschirmt dich mit seinen Flügeln«, sagte der Exorzist lauter, »unter seinen Schwingen findest du Zuflucht, Schild und Schutz ist dir seine Treue. Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten, noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt, nicht vor der

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