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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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Ritual fort und brüllte, so laut er konn-te, Worte heraus, die er für machtvoll hielt. Plötzlich trat aus Daniels rechtem Ohr eine schwarze Flüssigkeit aus, die Aud-rey ins Gesicht spritzte und nach Tod und Verfall roch. Sie verspürte einen Brechreiz, dann bekam sie schmerzhafte Ma-genkrämpfe und schmeckte Galle. Sie setzte an, Daniel zu fragen, was aus Eugene geworden war. Sein Gesicht war von ihr abgewandt. Nun wandte er sich ihr zu, und ihre sämtlichen Hoffnungen schwanden.
    Der Teufel, von dem Daniel besessen war und den der Exorzist für beinahe besiegt hielt, hatte ihr zugezwinkert, wie zuvor schon einmal. Er hatte sie wieder hinters Licht geführt. Er hatte sie beide hinters Licht geführt. Dieses bösartige Wesen stieß ein grausames Lachen aus, das aus unendlicher Ferne zu kommen schien, und brüllte: »DIE HÖLLE IST ÜBERALL!«
    Der Exorzist verstummte.
    Und Audrey kapitulierte einfach.
    »Komm näher«, forderten die dämonischen Stimmen sie auf, die wie eine einzige sprachen.
    Sie flüsterten Audrey etwas ins Ohr. Die Wahrheit, die sie so sehnlich hatte erfahren wollen.

 
     
     
     
    ZWEITER TEIL
    Es tut nichts mehr not als Wahrheit.
     
    FRIEDRICH NIETZSCHE

15
    Boston
    Es war ein strahlend schöner Morgen. Nicht einmal der dich-te Verkehr im Stadtzentrum konnte mit seinem Lärm einen so schönen Tag verderben. Pater Cloister steckte eine Münze in den Schlitz eines Zeitungsautomaten, hob den Deckel und nahm eine Zeitung heraus. Er warf einen kurzen Blick auf die Titelseite, dann faltete er die Zeitung und klemmte sie unter den rechten Arm. In der rechten Hand trug er einen dicken Handkoffer aus schwarzem Leder. Er rief ein Taxi herbei und stieg ein, nannte dem Fahrer sein Fahrtziel, schlug die Zeitung auf und las die Nachricht eines traurigen Vorfalls: der Tod einer jungen Nonne im Verlauf eines Exorzismus in Rumä-nien.
    Die rumänische Polizei hat den Tod einer dreiundzwanzig-jährigen orthodoxen Nonne am vergangenen Donnerstag bekanntgegeben. Sie wurde von einem Priester und vier weiteren Nonnen gekreuzigt, die ihr vorwarfen, vom Teufel besessen zu sein. Das Opfer gehörte dem Kloster zur Heiligen Dreifaltigkeit bei Tanacu an. In den drei Tagen vor der Kreuzigung erhielt die junge Frau nichts zu essen und zu trinken. Die Polizei erklärte, der Pope und die vier Nonnen hätten ein Exorzismusritual durchgeführt, um den Teufel aus dem Kör-per der Frau auszutreiben. Der Beichtvater des Klosters erklär-te, dies sei nach Maßgabe seiner Religion das korrekte Vorgehen gewesen. Der Patriarch von Rumänien hat noch nicht offiziell zu dem Vorfall Stellung genommen.
    Die Nachricht rief Pater Cloister den Grund seines Besuchs in Boston wieder ins Bewusstsein: den Exorzismus an einem geistig zurückgebliebenen alten Mann, in dessen Verlauf die-ser den beunruhigenden, offenbar überall auftauchenden Satz »DIE HÖLLE IST ÜBERALL« geäußert hatte. Cloister war von jeher gegen die Praxis des Exorzismus gewesen, den er als überflüssiges Relikt aus der Vergangenheit betrachtete, ob-wohl die Kirche das Ritual 1990 an die heutige Zeit angepasst und sogar in die lebenden Sprachen übersetzt hatte. In den vorhergehenden vier Jahrhunderten war der Exorzismus stets auf Latein durchgeführt worden. Die einundzwanzig Richtli-nien, die man befolgen muss, um einen vom Bösen Besessenen zu erlösen, hatte 1614 Papst Paul V. eingeführt.
    Obwohl es sich eigentlich nicht mit seiner Haltung vereinbaren ließ, musste Pater Cloister einräumen, dass nicht alle Fälle von Besessenheit sich mit Hilfe von Psychiatrie und Psychologie erklären ließen. Auch in vielen anderen Punkten hatte er angesichts der Geschehnisse in letzter Zeit seine Meinung geändert.
    Der Priester, der den Exorzismus an dem alten Gärtner durchgeführt hatte, war seither zutiefst verstört und sprach kaum noch. Außerdem war die Psychiaterin, die den Alten wegen einer Reihe von schlimmen Alpträumen behandelt hatte, verschwunden, nachdem sie während des Rituals eine Botschaft erhalten hatte, die der Priester jedoch nicht richtig verstanden hatte. Es hatte mit »gelben Luftballons« und einem Ort in der Nähe von New London im Bundesstaat Connecticut zu tun. Offenbar eine Insel. Der Besessene hatte ihr noch mehr ins Ohr geflüstert, doch so leise, dass der Priester davon gar nichts verstanden hatte.
    Albert Cloister bemühte sich, seine wild durcheinander-wirbelnden Gedanken zu bändigen. Er musste einen kühlen Kopf bewahren, um die Situation

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