617 Grad Celsius
und zur Explosion gebracht.«
»Zur Verpuffung«, erwiderte Anna.
Freyer ließ weiße Zahnreihen blitzen. »Hey! Gut aufgepasst.«
Anna bat die Helfer, die schweren Betonteile per Hand wegzuheben, um keine Beschädigung der Leiche zu riskieren.
Ein uniformierter Kollege brachte Kaffee und belegte Brötchen. Anna empfahl Lohse, für ein paar Stunden zu pausieren. Doch der alte Haudegen wollte nichts davon wissen – als habe er Angst, das KK 11 würde ihn ganz aus den Ermittlungen drängen.
Anna behielt den Schutt im Auge, der weggeschafft wurde. Mauerwerk, Teile von Holztreppen, Gebälk und Eisenträger. Zerbrochene Rohre und Türzargen. Kein Schlafsack, keine Kleidung oder Privatgegenstände – dieser Teil des Hauses war tatsächlich unbewohnt gewesen. Bislang deutete nichts auf mögliche Zündquellen hin.
Nach einer halben Stunde war der Verschüttete freigelegt. Männlich, Bauchlage, die Beine ausgestreckt. Anna ärgerte sich darüber, dass die Kriminaltechniker noch immer nicht eingetroffen waren. Sie schoss einige Fotos, auch Freyer knipste den Bereich.
Der Tote trug cremefarbene Stoffschuhe, keine Socken, braune Cordjeans, alles völlig eingestaubt. Sein Oberkörper war mit einem einfachen weißen Polohemd bekleidet. Blutflecken auf dem Baumwollstoff. Der weitgehend haarlose Schädel wies die schwersten Verletzungen auf.
Die Helfer standen im Kreis und gafften. Freyer forderte sie auf, dort weiterzugraben, wo nach den Plänen der Erdgasanschluss lag – einen Meter über dem Kellerboden und ebenso weit von der südlichen Ecke des Raums entfernt.
Anna kletterte hinunter und fasste die Leiche an. Die Starre war vollständig ausgeprägt. Der Tod musste also vor etwa zwölf bis sechsunddreißig Stunden eingetreten sein – der Befund passte zum Zeitpunkt der Explosion. Die Taschen der Hose waren leer, weder Ausweis noch Portmonee. Anna drehte den Unbekannten auf die Seite, um sein Gesicht zu sehen.
Sie korrigierte sich: das, was einmal das Gesicht gewesen war. Die Identifizierung des Mannes würde schwierig werden.
»Wir haben des Rätsels Lösung!«, rief Freyer.
Anna stieg zu ihm hinüber. Ein verwittertes Rohr ragte aus der Mauer. Am Ende ein Außengewinde, an dem Hanfreste klebten. »Der Stopfen fehlt«, stellte der Sachverständige fest. »Abgeschraubt.«
»Kam hier das Gas raus?«
Freyer nickte.
Anna schlussfolgerte: »Also Fremdeinwirkung. Herbeiführen einer Explosion mit achtfacher Todesfolge.«
Michael Lohse deutete auf den Toten mit der Glatze. »Vielleicht war er’s?«
»Wir müssen den Stopfen und das Werkzeug finden, so etwas wie eine Rohrzange oder einen Schraubenschlüssel mit langem Hebel«, warf Freyer ein und strich mehrfach mit Daumen und Zeigefinger über die Oberlippe.
Anna fragte: »Hatten Sie mal einen Schnurrbart?«
Für einen Moment war Freyer sprachlos. »Woher …?«
Lohse rief mit brüchiger Stimme nach ihnen. Der Kollege stand auf der gegenüberliegenden Grundmauer und zerrte Teile der Kellerdecke zur Seite. Anna und Freyer kletterten zu ihm. Eine Stahltür ragte aus den Trümmern.
Anerkennend sagte Freyer: »Gutes Auge.« Er wies Anna auf braunes Klebeband hin, das an den Kanten klebte. »Das deutet auf Suizid hin.«
»Wirklich?«
»Dreißig Prozent Gasanteil in der Atemluft reichen aus, um zu ersticken. Das ist schnell erreicht, wenn der Raum hermetisch abgedichtet ist.«
»Sie meinen, der Glatzkopf hat die Türritzen verklebt und die Leitung aufgemacht, um sich umzubringen?«
»Sieht so aus.«
Auch Michael Lohse nickte.
Anna kramte ihr Handy aus der Jackentasche und rief ihre Chefin an. Bachs Anrufbeantworter schaltete sich ein, im nächsten Moment war die Kriminalhauptkommissarin jedoch am Apparat.
Anna meldete: »Der achte Tote. Er liegt in dem Raum, von dem die Explosion ausging. Der Gasanschluss ist geöffnet worden. Eindeutig kein Unfall.«
Bach klang, als unterdrücke sie ein Gähnen. Sie fragte: »Kriminaltechnik?«
»Ist verständigt.«
»Und wer ist dieser Achte? Noch ein illegaler Ukrainer?«
»Sieht nicht wie ein Bauarbeiter aus. Einen Ausweis hat er nicht bei sich. Das Gesicht ist ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Wird nicht einfach werden, ihn zu identifizieren. Eventuell ein Selbstmörder. Die Tür war abgeklebt.«
»Von innen?«
»Ja.«
»Kommst du zurecht?«
Anna warf einen Seitenblick auf Lohse, der mithörte, was sie ins Handy sprach. »Klar«, sagte sie.
Der Rechtsmediziner traf ein. Er stieg zu dem Toten hinunter
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