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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Aber manchmal bin ich mir auch da nicht mehr ganz sicher.«
    Sie erreichten die Bankenseite der Königsallee und entzündeten die mitgebrachten Windlichter. Zugleich ertönten die Glocken sämtlicher Kirchen der Innenstadt. So weit Anna blicken konnte, leuchteten Kerzen auf beiden Seiten des Wassergrabens, der die Kö teilte.
    Anna wusste, dass ihr Protest keinen Kriegstreiber dieser Welt beeindrucken würde. Trotzdem fühlte sie sich gut in diesem Moment – Teil einer Gemeinschaft, die sich einig war.
    Als sich die Lichterkette auflöste, wollte Karin noch einen Kaffee trinken gehen. Anna schlug die Marktwirtschaft am Carlsplatz vor, denn in der Nähe hatte sie ihr Auto geparkt.
    Grüppchen von Demonstrationsteilnehmern zogen mit ihnen durch die Straßen. Keiner hatte sein Licht ausgemacht, einige sangen alte Demo-Lieder: Das weiche Wasser bricht den Stein .
    Annas Handy klingelte.
    Karin hielt ihr Windlicht, während Anna den dicken Handschuh auszog und das Telefon aus der Tasche ihrer Felljacke wühlte.
    »Winkler.«
    »Ritter, Kriminalwache. Stimmt es, dass du Mordbereitschaft hast?« Der Kollege schnaufte, als habe er einen Tausendmeterlauf hinter sich.
    »Was liegt an?«, erwiderte Anna, ihren Schritt beschleunigend.
    Karin hielt mit. Die beiden Lichter erloschen im Windzug.
    Ritters Stimme klang gepresst. »Kannst du den Anblick von Blut vertragen, Winkler? Ich meine: eine Menge Blut.«
    Dann gab er eine Adresse durch, die Anna bekannt vorkam.
    Sie steckte das Telefon weg.
    »Dienstlich?«, fragte Karin.
    »Ja, tut mir leid. Aus dem Kaffee wird nichts.« In diesem Moment wurde ihr klar, wer in der Straße wohnte, die der Kollege genannt hatte. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
    Karin lächelte. »Dann eben ein andermal.«
    Anna ließ sie stehen und begann zu laufen.
    »Dein Windlicht!«, rief Daniels Mutter hinterher.
    Anna rannte weiter und rempelte sich den Weg frei. Die kalte Luft fuhr wie Messerstiche in ihre Lungen. Vor der Maxkirche traf ein weiteres sanftes Lied ihre Ohren: We shall overcome – ein Hohn, dachte Anna.
    Es gab keinen Frieden, niemals und nirgendwo.
    Mit steif gefrorenen Fingern schloss sie ihr Auto auf.
    Lass es nicht Daniel sein, flehte Anna auf der Fahrt nach Unterbilk.

34.
    Mai 2005
    Als Anna die Hasselstraße erreichte, ging ihr noch immer Bruno Wegmanns Enthüllung durch den Kopf: Michael Lohse und dein Daddy, Bernd Winkler. Sie kamen, um mich für eine Weile abzulösen . Der weiße Bungalow tauchte auf und Anna drückte die Fernbedienung.
    Das Tor zur Doppelgarage schwang hoch und im Scheinwerferlicht erkannte Anna einen knallblauen, fabrikneuen Golf. Sie setzte den BMW auf den freien Platz daneben und ging ins Haus, wo Picasso bereits schwanzwedelnd wartete.
    In der Küche briet ihr Vater Lammkoteletts. Es roch nach Knoblauch und Kräutern. In zwei Gläsern schimmerte Rotwein.
    »Hast du einen Gast?«, fragte Anna.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Das Auto in der Garage.«
    »Es ist deins. Es geht nicht, dass du ständig den BMW benutzt.«
    Anna fehlten die Worte.
    Ihr Vater fragte: »Gefällt es dir nicht? Dein vorheriges hatte die gleiche Farbe.«
    »Ich weiß nicht, ob ich mir einen Neuwagen leisten kann.«
    »Es ist ein Geschenk. Ich freu mich, dass du endlich wieder zurück bist.«
    »Und was ist mit der Wohnung in Derendorf?«
    »Ela Bach sagte mir, sie habe dir Ritter empfohlen, und der Kollege meinte, das Apartment sei genau das, was du dir vorstellst.«
    »Das kann ich nicht annehmen.«
    »Unsinn.« Er legte die Fleischgabel beiseite, ergriff ihre Hand und tätschelte sie. Seine Augen glänzten im Licht der Deckenstrahler. »Wer weiß, wie lange es meine alte Pumpe noch macht. Du bist meine einzige Tochter und ich gebe lieber mit warmer Hand als mit kalter. Und jetzt setz dich.«
    Er holte Kartoffelgratin aus dem Ofen und tischte Salat auf.
    Mit Heißhunger machte sich Anna über das Essen her. Picasso äugte zu ihr hoch und hob bettelnd eine Pfote. »Nichts da«, sagte sie. »Dein Fressen liegt im Napf.«
    Bernd Winkler hob sein Glas. »Ein zwanzig Jahre alter Chateau Belgrave.«
    Sie tat es ihm gleich und schnupperte das Bukett. »Gibt es etwas zu feiern?«
    »Die Steinkohlesubvention ist seit heute beschlossene Sache. Dreieinhalb Milliarden Euro Landesmittel bis 2012. Selbst wenn wir die Wahlen verlieren sollten, können die anderen das nicht mehr revidieren. Jetzt fehlt nur noch die Anschubfinanzierung für die neue Zeche durch den Bund.«
    »So viel Geld

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