62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
dabei gewesen bist?“
„Das versteht sich ganz von selbst“, sagte Fritz mit Selbstgefühl. „Ich habe den Anführer gemacht.“
„So erzähle!“
Der Sohn berichtete dem Vater, was er in der Schenke bereits mehr als zehnmal erzählt hatte. Der Vater hörte mit großer Spannung zu und sagte dann: „Das ist glänzend gelungen! Er ist in die Amtsstadt transportiert worden, und das Engelchen dazu.“
„Ich hörte das auch.“
„Also auf dich geschossen hat dieses Frauenzimmer? Es ist mehr als toll!“
„Ich konnte des Todes sein!“
Er betrachtete sich das Ohr und meinte dann lachend:
„Na, an das Leben wird es dir nicht gehen. Übermorgen wird das Ding bereits heil sein.“
„Dennoch werde ich dieses Frauenzimmer so streng wie möglich bestrafen lassen!“
„Pah! Wenn die Herren vom Gericht deine fürchterliche Verletzung sehen, wird von Strafe nicht sehr die Rede sein. Ein Gedanke kommt mir freilich! Hm!“
„Was?“
„Wenn die Wunde größer wäre!“
„Dann wäre auch die Strafe größer, meinst du?“
„Ja. Hat der Staatsanwalt dein Ohr angesehen?“
„Nein.“
„Oder ein anderer?“
„Der eine Grenzer. Aber er wird wohl nur bloß so oberflächlich hingeschielt haben. Die Kerls taten wirklich so, als ob es mir ganz recht geschehen sei.“
„Und der Staatsanwalt befahl dir, dich zu entfernen?“
„Ja. Ich hätte diesen Kerl ohrfeigen können!“
„Nun, wir wollen ihn ins Bockshorn jagen. Deine Wunde muß unbedingt gefährlicher werden.“
„Donnerwetter! Wie meinst du das?“ fragte Fritz einigermaßen erschrocken.
„Wir machen sie gefährlicher!“
„Unsinn!“
„Das heißt, wir vergrößern sie.“
„Du bist wohl verrückt geworden? Ich glaube gar, du willst mir das Ohr herausreißen!“
„Nein, sondern ich will dir nur die Schramme etwas weiter aufschlitzen.“
„Damit bleib mir vom Leib!“
„Es tut ja gar nicht weh!“
„Weh oder nicht! Ich will nicht mit einem aufgeschlitzten Ohr in der Welt herumlaufen.“
„So willst du also, daß Hofmanns Mädchen freigesprochen wird?“
„Man wird sich hüten, sie freizusprechen!“
„Pah! Das kenn ich! Sie war aufgeregt.“
„Das ist kein Grund, jemand zu erschießen!“
„Du bist eben gar nicht erschossen worden. Und die Aufregung ist stets ein Milderungsgrund.“
„Ich werde schon dafür sorgen, daß man nicht an eine Milderung denkt!“
„Und sodann konnte sie nicht wissen, ob das Gewehr geladen war oder nicht.“
„Gerade darum sollte sie es nicht angreifen. Nein, nein, mein Ohr lasse ich mir nicht verschimpfieren!“
„Ganz wie du willst! Aber weiß man, daß du nur von einem Schrot getroffen worden bist?“
„Hm! Warum fragst du?“
„Wie nun, wenn du noch eine andere Wunde hättest?“
„Wo denn?“
„Näher am Herzen.“
Fritz blickte schnell auf die Stelle seines Rocks, unter welcher das Herz zu suchen war.
„Sapperment!“ sagte er. „Ich werde doch nicht etwa an einer anderen Stelle getroffen worden sein!“
„Warum nicht?“
„Das wäre verteufelt! Ich werde doch lieber einmal nachsehen!“
„Unsinn! Wenn du noch eine zweite Blessur hättest, so hättest du es schon längst gefühlt. Ich meine es anders.“
„Wie denn?“
„Wir haben auch Schrot!“
„Das weiß ich.“
„Wir laden ein einziges Korn in einen Revolver.“
„Wozu?“
„Ich nehme den Revolver, ziele genau und schieße dir den Schrot rechts vorsichtig so unter den linken Arm hinein, daß er in gleicher Höhe mit dem Herzen durch Rock und Weste dringt und dir eine kleine Schramme in die Haut reißt.“
„Danke, danke! Ich bin keine Königsscheibe.“
„Es tut dir ja gar nichts!“
„Das will ich gar nicht versuchen!“
„Aber es wird die Strafe verschärfen!“
„Das würde mir sehr angenehm sein, ist aber doch kein Grund, bei lebendigem Leib auf mich schießen zu lassen.“
„Kerl, ich glaube gar, du hast Angst!“
„Fällt mir gar nicht ein! Aber schießen lasse ich auf keinen Fall nach mir!“
„Du bist ein Dummkopf! Was aber wird mit Hofmann?“
„Was soll mit ihm werden? Ihm können sie gar nichts anhaben; er ist nicht dabei gewesen.“
„Das meine ich auch gar nicht. Sein Mädchen hat dich bei der Maskerade sitzenlassen –“
„Ärgerliche Geschichte!“
„Sie hat heute auf dich geschossen –“
„Das danke ihr der Teufel!“
„Ihr Vater ist kein guter Arbeiter. Du hast nur wegen seines Mädchens Nachsicht mit ihm gehabt.“
„Das ist wahr. Das hört
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