64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
möglichst schnell hinab in das Zimmer des Wachtmeisters. Kaum hatten sie Platz genommen – natürlich außer den beiden Schmieden, welche stehen bleiben mußten – so wurde der Gefangene hereingebracht, dem die Hände auf den Rücken gebunden waren.
Hatte ihm bereits im Hof der Schreck das Wort im Mund abgeschnitten, so war er nun hier geradezu starr vor Entsetzen, als er die beiden erblickte, welche er soeben erschossen zu haben glaubte.
„Guten Morgen, Herr Kollege!“ grüßte der Fürst mit ironischer Freundlichkeit. „Sie haben mir wohl bereits eine Stelle verschafft?“
„Nein“, antwortete er, ohne zu bemerken, daß dies das Dümmste sei, was er sagen könne.
„Ah, so wollten Sie nur dem Gefängnis einen Besuch abstatten? Warum haben Sie es sich so schwergemacht? Warum wollten Sie partout zum Fenster hinein? Ich habe dafür gesorgt, daß Ihnen der bequemere Eingang geöffnet werde, und nun hoffe ich, daß Sie es sich bei uns längere Zeit gefallen lassen.“
Er stand noch immer wie versteinert zwischen den Polizisten. Da sagte der alte Schmied:
„Ja, famos hast du das gemacht, Bursche! Zweitausend Gulden verdient! Ich wollte, ich könnte sie dir auszahlen, hier mit meinen beiden Fäusten.“
„Ich weiß von nichts!“ stammelte er.
„Was, Mensch? Du weißt von nichts? Du willst wohl etwa gar nicht geschossen haben?“
„Nein.“
„Na, da gucke dort den Tuchwinkel an, durch den deine Kugeln gegangen sind!“
Jetzt begann es in ihm zu dämmern, daß er der Düpierte sei, dennoch behauptete er:
„Ich habe nicht geschossen.“
„Wer denn?“ fragte der Fürst.
„Der andere vielleicht.“
„Ah, ihr wart zu zweien?“
„Ja.“
„Wer war der andere?“
„Ich kenne ihn nicht.“
„Schön! Also der berühmte Unbekannte! Sie scheinen wirklich zu glauben, daß ich sehr dumm bin.“
„Ich sage die Wahrheit.“
„Pah! Machen Sie sich nicht lächerlich! So dumm und albern, wie Sie mich dem Hauptmann beschrieben haben, bin ich denn doch nicht, mein bester Herr Bauer!“
„Dem Hauptmann?“ fragte er, Erstaunen heuchelnd.
„Ja.“
„Ich weiß nichts von ihm.“
„Mit wem sprachen Sie denn zuletzt im verlassenen Dampfkesselraum?“
Er erbleichte, sagte aber kopfschüttelnd:
„Ich weiß nicht, was Sie wollen!“
„Nun, das kann ich Ihnen sagen: Ich wollte Sie gefangennehmen, und jetzt will ich mir auch den Hauptmann mit der ganzen Bande holen. Sie werden beim Fürsten von Befour zu treffen sein.“
„Hölle, Teuf –“
Er verschluckte das Wort und schwieg.
„Ich will Ihnen sehr aufrichtig sagen, daß Sie ein ganz alberner Mensch sind. Sie sind von dem Diener Leonhardt angeführt worden, der ein Polizist ist; ich habe Ihnen heute die Zellenliste verraten, um Sie desto sicherer zu fangen. Der Fürst von Befour hat Sie bereits gewarnt, als Sie Robert Bertram ermorden wollten. Jetzt will man dem Fürsten und der Baronin Ella von Helfenstein das Leben nehmen – Sie müßten das viel, viel gescheiter anfangen.“
„Ich weiß gewiß und wirklich von nichts!“ stammelte er.
„Auch von den Lichtern nicht und von den Spiegeln, mit denen Sie an ihrem Fenster die Signale gaben?“
Und als er nun doch nichts zu antworten wagte, fuhr der Fürst, zu dem Wachtmeister gewendet, fort:
„Lassen Sie diesen traurigen Menschen einschließen und machen Sie noch eine genügende Anzahl von Zellen bereit. Es wird bald ein größerer Transport eintreffen.“
Der Agent wurde abgeführt. Da trat der Alte einen Schritt vor und sagte:
„Herr Staatsanwalt, ich sehe jetzt ein, woran ich bin. Ich werde alles eingestehen.“
„Daran tun Sie recht, Wolf. Ich werde Sie am Morgen vorführen lassen!“
„Warum jetzt nicht? Ich werde sehr schnell fertig sein, und wer weiß, was bis zum Morgen geschieht.“
„Wir haben noch anderweitig zu tun. Sie müssen sich bis zum Vormittag gedulden. Jetzt natürlich kehren Sie in Ihre Zellen zurück.“
So wurden also auch die beiden Schmiede abgeführt. Dann wendete sich der Staatsanwalt an den Fürsten:
„Sie sprachen vorhin von dem Hauptmann und einem Einbruch bei Ihnen. Ist's an dem?“
„Gewiß!“
„Sie wollen die ganze Bande festnehmen?“
„Das ganze Korps mitsamt dem Anführer.“
„Ah, da muß ich mit! Darf ich?“
„Natürlich! Ich bitte Sie sogar darum! Wir werden auch die Polizisten hier mitnehmen, welche sich einstweilen in den Korridor zurückgezogen haben. Je mehr Hände wir bekommen, desto besser ist es.“
Er legte
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