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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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will ich Ihnen sagen, daß ich früher Gustav Brandt genannt wurde. Ich bin der lebendige Paragraph, der Sie auf das Schafott bringen wird!“
    „Noch nicht, noch nicht! Vorher wirst du baumeln!“
    „Das ist Wahnsinn! Wenn Sie vielleicht noch zu entkommen gedenken, so will ich Ihnen sagen, daß Sie mit Hand- und Fußschellen in Ihrer Zelle angeschlossen werden und daß sogar je ein Militärposten mit scharfgeladenem Gewehr unter Ihrem Zellenfenster und vor Ihrer Zellentür patrouillieren wird. Jetzt gute Nacht, Helfenstein! Wenn wir uns wiedersehen, so ist es vor dem Untersuchungsrichter!“
    Er ging, und dann wurde auch dieser Gefangene in das Gefängnis gebracht.
    Die bisherigen Bewohner desselben vermochten nicht, sich den Lärm zu erklären, welcher während der ganzen Nacht herrschte. Sie konnten vor all dem Klirren und Kettenrasseln nicht schlafen.
    Noch bedeutender aber war am Morgen die Erregung der Residenzler, als es verlautete, daß während der letzten Nacht der Hauptmann samt seiner ganzen Bande von dem Fürsten von Befour gefangengenommen worden sei.
    Wer war nun dieser Hauptmann?
    Erst verlautete nur Unbestimmtes; man riet und riet, umsonst; später wurden Namen genannt, fünf oder sechs, dann vier oder fünf, später zwei oder drei, bis zuletzt nur einer übrigblieb, und zwar war dies der richtige, der Baron Franz von Helfenstein.
    Der erste Weg, welchen der Fürst nach einem kurzen Spätschlummer unternahm, führte natürlich in das Gerichtsgebäude. Das ganze Beamtenpersonal befand sich im Fieber, und der Fürst wurde mit einer Hochachtung begrüßt, welche mehr für ein überirdisches als für ein sterbliches Wesen paßte.
    Er begab sich zu dem Staatsanwalt, welcher bereits auf ihn gewartet hatte.
    „Endlich!“ sagte er. „Er hat schon wiederholt bitten lassen, ihn vorzunehmen.“
    „Wer?“
    „Der alte Schmied natürlich. Oder dachten Sie vielleicht, der Hauptmann wolle schon beichten?“
    „Das wird er wohl überhaupt nie tun.“
    „Wollen sehen! Wir werden ihn mit Beweisen ja vollständig erdrücken, zermalmen.“
    „Warum nahmen Sie den Schmied nicht vor?“
    „Weil ich wünschte, daß Sie zugegen sein möchten. Jetzt werde ich ihn aber kommen lassen.“
    Als der alte Wolf eintrat, zeigte er ein fast heiteres Angesicht. Es war, als sei eine Last von ihm genommen.
    „Nun“, sagte der Staatsanwalt, „Sie waren bereit, mir aufrichtige Antworten zu geben?“
    „Ja, Herr Staatsanwalt. Aber darf ich mir vorher vielleicht eine Frage erlauben?“
    „Fragen Sie!“
    „Es gab heute Nacht so viel Lärm. Ist er gefangen?“
    „Wen meinen Sie?“
    „Den Hauptmann.“
    „Ja, wir haben ihn samt gegen dreißig Mann.“
    „Ich danke Ihnen. Jetzt sitzt auch er im Loch, und so will ich mich zufriedengeben.“
    „Er wird seine gerechte Strafe finden. Ich möchte Sie noch nicht vor das Protokoll nehmen, sondern mir aus Ihren Geständnissen lieber eine gewisse Übersicht alles dessen bilden, was wir zu behandeln haben werden. Es ist ganz gleichgültig, wer Sie fragt, ob Seine Durchlaucht oder ich. Wem antworten Sie lieber?“
    „Das ist mir gleich. Aber da ich am meisten gegen den gnädigen Herrn gesündigt habe, so bitte ich ihn, die Fragen auszusprechen.“
    Der Fürst nickte ihm mildfreundlich zu und sagte:
    „So will ich mich denn gleich einmal über Sie orientieren, Wolf. Ich habe Sie nie für einen wirklichen Verbrecher gehalten. Sagen Sie mir einmal aufrichtig, wessen Sie sich schuldig erkennen müssen.“
    „Zunächst im allgemeinen des Schmuggels.“
    „Das ist freilich Ihre Hauptsünde.“
    „Aber ich sage Ihnen aufrichtig, daß ich es Ihnen zwar reumütig gestehe, aber keinen Menschen in das Unglück stürzen werde. Unter hundert Grenzbewohnern schmuggeln neunzig. Ich nenne keinen.“
    „Ich wenigstens verlange das auch nicht. Weiter!“
    „Sodann habe ich damals den Mörder des Hauptmannes von Hellenbach nicht angezeigt.“
    „Das werden Sie jetzt nachholen.“
    „Ja, gewiß. Ferner habe ich die kleine Leiche des Sohnes der Botenfrau entwendet, um sie in das Bett des kleinen Robert von Helfenstein zu legen.“
    „Was geschah mit Robert?“
    „Ich schaffte ihn nach der Residenz ins Findelhaus.“
    „Wie heißt er jetzt?“
    „Robert Bertram.“
    „Wie?“ fuhr der Staatsanwalt auf. „So wäre der Dichter der Heimat-, Tropen- und Wüstenbilder der eigentliche Erbe der Baronie Helfenstein.“
    „Ja, gewiß“, antwortete der Fürst. „Aber, Wolf, warum verwechselten

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