64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
verstorbenen Baron wirklich so sehr ähnlich?“ fragte der Jüngling, indem er an den Waschtisch trat, um sich das Gesicht von den aufgetragenen Falten zu reinigen.
„Sehr, außerordentlich sogar“, antwortete der Fürst. „Du warst so ähnlich, daß selbst dieser hartgesottene Sünder in Ohnmacht fiel. Jetzt aber nun einmal hinauf zu den übrigen!“
Die Einbrecher waren bis hinauf zu der Kammer gestiegen, welche der Goldarbeiter als diejenige bezeichnete, in welcher sich die Reichtümer des Fürsten befinden sollten. Er suchte und fand den Schlüssel und öffnete. Voller Begierde drängten sich alle hinein. Jeder wollte der erste sein; keiner hatte die Absicht, sich ausschließen zu lassen.
Der letzte bemerkte gar nicht, daß die Tür leise hinter ihm zugedrückt wurde.
„Auf mit den Kästen!“ sagte einer. „Wollen sehen, wie es Millionären zumute ist!“
Es war wirklich so, wie der Diener gesagt hatte; der eine Schlüssel öffnete alles. Der erste Schrank wurde aufgeschlossen. Man denke sich die Gesichter der Räuber, welche sich mit Begierde näher drängten und nichts, gar nichts erblickten als – Steine.
„Was! Was ist das! Steine!“ rief einer, vor Enttäuschung fast ganz laut.
„Leise!“ herrschte ihn sein Nachbar an. „Vielleicht sind es kostbare Erze oder so etwas Ähnliches, öffnen wir weiter! Es wird schon besser kommen!“
Aber, so viele Fächer und Laden sie öffneten, sie fanden nichts als Steine und wieder Steine.
„Eine Mineraliensammlung!“ erklang es nun. „Tod und Teufel! Fort! Hinaus! Versäumen wir hier oben nicht die kostbare Zeit!“
Sie stießen die Tür auf. In demselben Augenblick wurde es taghell, und sie erblickten vor sich eine übermächtige Anzahl von Polizisten mit schußbereiten Karabinern.
Das Entsetzen, welches sie erfaßte, läßt sich gar nicht beschreiben. Ein einziger faßte sich schnell.
„Drauf und durch!“ brüllte er auf und stürzte sich mit hoch erhobenem Messer vorwärts.
Da krachte ein Schuß. Mitten durch die Stirn getroffen, stürzte er zu Boden.
„Ergebt euch ruhig!“ sagte eine Stimme. „Es ist keine Rettung für euch. Wer sich vorwärts bewegt, der wird einfach niedergeschossen!“
Der Fürst war es, der diese Worte sprach.
„Werft die Messer weg!“ fuhr er fort.
War es die Macht seiner gebieterischen Stimme, war es die Wirkung des ersten Schrecks, oder sahen sie ein, daß es wirklich Wahnsinn sei, Widerstand zu versuchen, kurz und gut, sie ließen die Messer fallen.
„Tretet einzeln vor! Man wird euch binden!“
Auch dieser Befehl verfehlte seine Wirkung nicht. Nur ein einziger fuhr trotzig mit der Frage auf:
„Mord und Tod! Wo ist denn der Hauptmann?“
„Er ist bereits gefangen und gefesselt“, antwortete der Fürst. „Er war der Führer, und ihr seid die Verführten. Wenn ihr euch ergeben zeigt, wird man die möglichste Milde walten lassen.“
Das wirkte. Erst zögernd und knurrend, dann aber mehr und mehr willig, gaben sie die Hände her, um sie sich binden zu lassen. Sodann wurden sie unter hinreichender Bedeckung abgeführt.
Jetzt erst kehrte der Fürst in sein Zimmer zurück. Er hatte die Narbe nebst Perücke und Bart wieder angelegt. Er trat hinaus zu dem Gefangenen, welcher die Besinnung wieder erlangt hatte und mit offenen Augen dalag, doch ohne zu sprechen oder sich zu bewegen.
Der Polizist entfernte sich auf einen Wink des Fürsten. Dieser setzte sich dem Baron gegenüber und sagte in ernstem Ton:
„Ich hatte Ihnen drei Tage Frist gegeben. Ich gab Ihnen außerdem den Beweis, daß ich Ihnen überlegen bin. Sie haben trotzdem die Gnadenfrist benutzt zu einem geradezu wahnwitzigen Unternehmen. Ich kann Ihnen nicht helfen; ich muß Ihnen den Rückzug, welchen ich Ihnen offenhalten wollte, verschließen. Ich werde Sie dem Untersuchungsrichter übergeben.“
„Hund!“ knirschte der Gefangene.
„Ihr Schimpfwort trifft mich nicht. Sie kochen in Ihrem eigenen Gift. Sie sind verloren.“
„Noch nicht!“ stieß er höhnisch hervor.
„Ah! Denken Sie etwa an Gnade oder an Flucht? Lassen Sie sich nichts träumen!“
Da schüttelte er die gefesselten Hände gegen den Fürsten und rief: „Und doch werde ich mich an dir rächen, Bube!“
„Lächerlich! Sie sind verloren. Ihre ganze Vergangenheit, ja, jeder einzelne Tag derselben steht gegen Sie auf. Alle Ihre sogenannten Freunde, Ihre Verschworenen und Mitschuldigen erheben sich gegen Sie. Und wenn Sie noch nicht wissen, wer ich eigentlich bin, so
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