64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Petermann:
„Ich verzeihe ihnen.“
„Und Ihre Tochter?“
„Sie verzeiht ebenso wie ich. Gott möge ihnen ein gnädiger Richter sein. Ich werde für sie beten.“
„Und Ihnen möge er lohnen, was die Toten Ihnen nicht mehr lohnen können! Jetzt, da sie Vergebung gefunden haben, wollen wir ihre Hüllen der Erde anvertrauen.“
Es traten die dazu bestimmten Männer herbei. Die Gruft wurde geöffnet, man verschloß die Särge, nahm sie von den Katafalken herab und ließ sie in die dunkle Vertiefung hinab, welche dann, nachdem der Geistliche den Segen gesprochen hatte, über ihnen geschlossen wurde.
Der Fürst kehrte mit den anderen nach dem Salon zurück; wo man sich fast ganz wortlos verhielt, bis der Anstaltsdirektor nachkam. Er reichte Petermann und Valeska die Hand und sagte:
„Jetzt nun will ich Ihnen auch meinen Dank sagen und von der Genugtuung sprechen, welche ich Ihnen gewähren muß. Sie haben die Ehre Ihres Namens der des meinigen geopfert; die einzige Satisfaktion kann nur darin bestehen, daß ich Sie teil an meinem Namen nehmen lasse. Ich bin der letzte meines Stammes und habe keine Kinder. Fräulein Petermann, Sie sollen meinen Namen nebst dem Ihrigen führen. Seine Majestät der König, hat die Erlaubnis erteilt, daß Sie sich Valeska von Scharfenberg-Petermann schreiben. Ich adoptiere Sie. Sie sind von diesem Augenblick an meine Tochter und meine einzige Erbin. Die Dokumente sind ausgestellt. Darf ich sie Ihnen übergeben, Herr Petermann?“
Der Gefragte war sprachlos, seine Tochter ebenfalls. Der Direktor mußte seine Frage wiederholen, ehe er die Antwort erhielt:
„Das ist unmöglich, ganz unmöglich!“
„Ich erfülle eine Pflicht, Herr Petermann, und ich erfülle sie gern. Ich will Ihnen nicht Ihre Tochter rauben, ich will Ihnen auch nicht zumuten, die Adoption als ein Äquivalent für das, was Sie erduldeten, zu betrachten, sondern ich will Ihnen damit den Beweis geben, daß Sie meine vollste Achtung besitzen. Und indem Sie in die Adoption willigen, sollen Sie mir zeigen, daß Sie dem Toten wirklich verziehen haben und auch gegen mich keinen Groll hegen.“
„Da sei Gott vor!“
„Also, nehmen Sie an?“
„Es ist zuviel, zuviel!“
Da sagte der Fürst zu ihm:
„Petermann, Sie dürfen nicht allzu zart sein. Wollen Sie auch verzichten, so doch in Rücksicht auf Ihre Tochter nicht. Für diese ist es ein Geschenk des Himmels, welches Sie unmöglich zurückweisen dürfen.“
Da dachte er an die Verlobung seiner Tochter mit dem Leutnant, und schnell entschlossen wendete er sich an den Direktor:
„Herr Hauptmann, ist es wirklich Ihr Ernst?“
„Können Sie daran zweifeln?“
„Nun gut, ich will mich nicht weigern, falls meine Tochter bereit ist, Ihren Namen zu tragen.“
„Und Sie, Fräulein Petermann?“
„Ich kann es kaum fassen“, antwortete die Gefragte.
„Oh, Sie werden sich schnell daran gewöhnen. Ich verlange kein persönliches Opfer von Ihnen. Sie sollen meinen Namen tragen und meine Erbin sein. Hier meine Hand bitte, schlagen Sie getrost ein!“
Da gab sie ihre Hand hin. Sie mußte unterzeichnen, ebenso ihr Vater und dann die Zeugen auch. Noch war man damit beschäftigt, so brachte ein Diener eine an den Fürsten gerichtete Depesche. Er öffnete sie, las dann und sagte dann im Ton freudiger Überraschung:
„Meine Herrschaften, eine freudige Botschaft! Franz von Helfenstein ist ergriffen worden.“
„Wo, wo?“ rief es rundum.
„Droben im Wald. Er ist von einem Felsen gestürzt und hat sich nicht weiter flüchten können. Er liegt in der Hütte eines Köhlers und der Arzt gibt Hoffnung, daß man ihn am Leben erhalten könne.“
„Gott sei Dank!“ sagte der Direktor. „Jetzt wird man ihn nun nicht wieder entkommen lassen. Er wird für lebenslang mein Zögling sein, wenn es ihm nicht ganz und gar an den Kragen geht.“
Eben als der Direktor diese Worte gesagt hatte, kehrte der Diener zurück und meldete, daß ein Herr den Fürsten zu sprechen verlange.
„Wer ist es?“
„Herr Doktor Zander aus der Residenz.“
„Ah, dieser ist hier! Lassen Sie ihn herein!“
Der Doktor begrüßte die Anwesenden, welche sich alle wunderten, ihn hier zu sehen, und sagte zum Fürsten:
„Durchlaucht, eine Neuigkeit; der Baron von Helfenstein –“
„Ist gefangen?“ fiel der Fürst ein.
„Noch nicht – oder ja; ich weiß nicht, woran ich bin.“
„Wieso?“
„Ich glaube, ihn jetzt gesehen und gesprochen zu haben.“
„Wo denn?“
„Hier in
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