64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Geld gehabt, so hätten sie die Stadt sofort verlassen und wären nicht wieder in Gefangenschaft geraten.“
„Ah, so also!“
„Ja, so! Nun üben sie Rache und verraten ihn.“
„Sie haben also seinen Namen genannt?“
„Ja.“
„Wer ist er denn?“
„Ein sehr vornehmer Herr.“
„Sapperment! Welchen Titel hat er denn?“
„Baron.“
„Alle Teufel!“ rief der Agent aus.
Er selbst hätte nie geglaubt, daß der emeritierte Kantor ein Baron sein könne.
„Ja, ein Baron ist er, ein Freiherr.“
„Und wie ist der Name?“
„Das weiß ich nicht.“
„Wie kommt das?“
„Der Staatsanwalt hat an der betreffenden Stelle ein Stück der Zeile frei gelassen.“
„Warum das?“
„Jedenfalls aus dem Grunde, daß ich den Namen nicht erfahren soll. Er selbst wird ihn dann hineinsetzen.“
„Das ist schade, jammerschade!“
„Gewiß! Ich hätte ihn gar zu gern erfahren.“
„Ist es Ihnen denn nicht trotzdem möglich, ihn zu erfahren?“
„Auf keinen Fall. Ich werde am Nachmittag fertig. Dann setzt der Staatsanwalt den Namen an seine Stelle, und die Akten werden fortgeschickt.“
„Da werden wohl die beiden Schmiede recht streng behandelt?“
„Ich glaube nicht.“
„Nicht? Solche Verbrecher?“
„Sie haben ja gestanden! Mit solchen Leuten wird freundlicher verfahren als mit Menschen, welche zu keinem Geständnis zu bringen sind.“
„Wo stecken sie denn?“
„Im Loch.“
„Natürlich! Wo denn anders! Ich meine, in welcher Gegend sie sich befinden.“
„Da drüben im Bezirksgefängnis.“
„Sie verstehen mich wieder nicht. Es versteht sich ganz von selbst, daß sie da drüben sein müssen. Ich meine, in was für einer Zelle sie sind, ob hinten oder vorn, ob unten oder oben.“
„In was für einer Zelle? Sie meinen wohl, daß die Beiden miteinander in einer Zelle stecken?“
„Nicht?“ fragte der Agent, sich dumm stellend.
„Oh, man wird sie doch nicht in eine Zelle stecken,“ sagte der Fürst, indem er eine sehr wichtige Miene machte. „Das wäre ein sehr großer staatsanwaltschaftlicher Fehler.“
„Wieso?“
„Da könnten sie sich ja doch miteinander besprechen, was sie gestehen wollen und was nicht!“
„Ach so! Sie stecken also in verschiedenen Zellen?“
„Natürlich.“
„Wissen Sie, in welchen?“
„Nein. Das steht aber auf der – Sapperment!“
„Was?“
„Das steht auf der Zellenliste geschrieben. Ach, wenn ich sie mit herübergebracht hätte!“
„Sie hatten sie wohl?“
„Freilich! Ich sollte sie abschreiben.“
„Haben Sie denn nicht drauf geguckt?“
„Nein. Ich habe sie zusammengelegt und auf meinen Tisch gelegt, an welchem ich –“
Er hielt inne, griff an seine Brusttasche und stieß ein halblautes, lustiges Pfeifen aus.
„Was gibt's?“ fragte der Agent.
„Wissen Sie etwas Neues?“
„Nein.“
„Aber ich weiß etwas!“
„Nun?“
„Ich habe sie mit. Ich habe sie noch gar nicht auf den Tisch gelegt. Soeben ist es mir eingefallen.“
„Das, das wäre gut, sehr gut!“
„Ja, ja, ich habe sie mit!“
„Zeigen Sie einmal her!“
„Oho! Nicht so rasch! Eine Zellenliste zeigt man nicht her! Das wäre Verrat am Amtsgeheimnis!“
„Ah pah! Amtsgeheimnis! Wir sind ja Kollegen!“
„Gilt nichts!“
„Glauben Sie etwa, daß ich die Schmiede befreien will?“
„Es ist möglich! Es ist alles schon dagewesen!“
„Machen Sie sich nicht lächerlich! Wir trinken noch eins, und Sie zeigen mir die Liste!“
„Zum Trinken habe ich keine Lust mehr.“
„Wozu denn?“
„Ich habe keinen Durst; aber eine Zigarre würde ich rauchen, eine gute Zigarre.“
„Gut! Wollen Sie eine?“
„Haben Sie eine gute?“
„Fein! Exquisit!“
„Nun, dann danke ich, daß Sie mir eine schenken werden.“
„Wenn ich mir die Zellenliste ansehen darf.“
„Das ist verboten – jedoch –“
„Gehen Sie mit Ihrem Verboten! Ich interessiere mich einmal für die beiden Gefangenen, und da möchte ich auch gerne erfahren, wo sie stecken. Hier ist die Zigarre, und dort haben Sie die Liste. Wollen Sie?“
Er hielt ihm die Zigarre in verführerische Nähe. Der Fürst tat, als ob er sich noch besinne; dann sagte er:
„Na, so mag es meinetwegen sein! Wenn ich etwas Gutes zu rauchen bekomme, so bin ich leicht zu erweichen. Aber das sage ich Ihnen, daß ich die Liste nicht aus der Hand gebe!“
„Ist auch gar nicht nötig. Also zeigen Sie!“
„Hier!“
Er breitete sie auf den Tisch aus, hielt sie mit der Linken fest
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