66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
Zetterl noch einstecken.“
„Behalt ihn nur, und verlier ihn nicht. Wenn du Geld brauchst, so gehst du nach Salzburg; da bekommst du es, sobald du die Anweisung vorzeigst.“
„Das werd ich schon wohl nicht tun. Ich hab, was ich brauch. Lieber kannst mir einen andern Gefalln erweisen.“
„Gern. Was wünschest du?“
„Wirst's aber auch tun?“
„Ganz sicher, wenn ich kann.“
„Ich möcht ein Billetterl zum Konzertl.“
„Ein Billet zum Konzert? Wenn's weiter nichts ist! Welches Konzert aber meinst du?“
„Am Sonnabend für fünfzehn Mark zum Stehen.“
„Sapperlot!“ meinte der Professor erstaunt. „Woher weißt denn du bereits von dem Konzert? Ich denke, es ist noch Geheimnis. Ich selbst habe es erst vorhin von dem Kapellmeister gehört.“
„Ich werd's schon wissen! Weißt, ich mag das Geldl für das Billetterl nicht etwa von dir!“
„Nicht?“
„Nein. Ich zahl's selbst.“
„Warum soll ich dir da das Billet besorgen?“
„Ich habe hört, daß nicht ein jeder ein Billetterl bekommt, auch dann nicht, wann er's zahlen will. Darum sollst du es mir versorgen.“
„Sehr gern. Aber wie kommt es denn, daß du grad dieses Konzert hören willst?“
„Weil die Leni singt.“
„Wer ist das?“
„Das ist die Sennerin, die mein Schatz war.“
„Ah. Ja, eine Sennerin singt. Auf dem Programm wird aber nicht Leni stehn. Wie ist ihr Zuname?“
„Sie heißt Leni Berghuber.“
„Sie singt unter dem Namen Mureni.“
„Mureni? Ah, das begreif ich schon. Sie ist bei uns die Muren-Leni genannt worden. Mureni klingt fast beinahe so.“
„Und die ist deine Liebste?“
„Jetzund nicht mehr.“
„Warum nicht?“
„Eben weil sie zum Theater gangen ist. Das kann ich nicht dulden.“
„Aber ist das nicht vielleicht ein Irrtum, Anton? Die Mureni, welch singen wird, ist eine Schützlingin des Königs Ludwig von Bayern.“
„Ja, das ist grad die meinige auch.“
„Das wäre ja höchst interessant! Wie ist sie denn mit dem König bekannt geworden?“
„Das will ich euch halt erzählen.“
Er erzählte, wie lange er bereits der Sennerin gut gewesen war und wie er nachher an jenem Abend das Glück gehabt hatte, den König aus den Krallen des Bären zu befreien; dann weiter, immer weiter, bis zum Augenblick, an welchem er sich unten an der Ecke des Felsen von Leni getrennt hatte.
Die beiden hörten ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Als er geendet hatte, sagte der Professor:
„Das ist ja eine Novelle, ein Roman, ein wirklicher, erlebter Roman! Aber, Anton, ich begreife dich nicht. Die Leni war also hübsch?“
„Hübscher als alle.“
„Und gut?“
„Sie war die Bravste, die ich kannt hab.“
„Und du hast sie von die gestoßen!“
„Ja. Ich mag keine Sängerin, keine Schauspielerin!“
„Das ist ein Vorurteil. Es gibt unter den Künstlerinnen ganz brave Damen.“
„Aber eine Dame mag ich halt nicht!“
„So will ich sagen, es gibt ganz brave Mädchen unter ihnen.“
„Das glaub ich nicht.“
„Wenn ich es dir sage, so kannst du es glauben. Ich bin Professor der Musik. Ich habe bereits manchen Künstler und manche Künstlerin ausgebildet. Ich habe mich zwar zuweilen in diesen Leuten getäuscht, aber ich habe auch sehr oft die freudige Genugtuung gehabt, daß meine Schüler oder Schülerinnen nicht nur in Beziehung auf ihre künstlerischen Leistungen, sondern auch in bezug auf ihre Moralität alle meine Hoffnungen erfüllt haben.“
„So sag mir einmal ein: Muß eine Sängerin auch mit bloßen Armen gehen, wohl gar auch in einem ausgeschnittenen Gewand?“
„Zu weilen ja.“
„Das ist's grad, was ich nicht dulden mag.“
„Auch das ist Vorurteil!“
„Nein. Meine Frau soll nicht so gehn und sich nicht so den Leuten zeigen. Ich müßt mich schämen in meine und auch in ihre tiefste Seel hinein, wann fremde Leutle von ihr das sehen dürften, was höchstens nur der Mann erschauen darf.“
„Aber in den Augenblicken, in welchen sie die Gestaltungen der Kunst zur Darstellung bringt, ist sie nicht Frau, sondern Künstlerin!“
„Grad eben das ist der Fehler! Meine Frau soll nix weiter sein als meine Frau. Was du da sagst, das ist auch nicht unanfechtbar, Professor. Weißt, ebensogut könntst auch sagen, eine Frau dürft sich mit anderen Männerln abgeben, denn an dem Augenblick, an welchem sie dies tut, ist sie nicht Frau, sondern die Liebste des andern. Auf diese Art und Weis würd es gar niemals eine Ehebrecherin geben und überhaupt gar kein
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