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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Reisen recht schmutzig worden ist, so gehen s' da hinein, um den Dreck herunterzuwaschen und die alten Strümpfen auszuziehn und die neuen wieder hinan. Nachher sind s' reinlich worden und dürfen sich wieder von den andern Menschen sehen lassen. Hast schon mal davon gehört?“
    „Freilich wohl“, lachte sie.
    „Glaubst's wohl nicht?“
    „O ja.“
    „Weil du lachst.“
    „Ich lache, weil du's mit dem Dreck ein wenig gar zu kräftig machst.“
    „Wohl nicht. Dreck ist Dreck. Oder meinst, daß es nur bei einem Bauern Dreck ist, bei einem Bürger Schmutz und bei einem Vornehmen Reisestaub? Meinetwegen! Die Sach aber bleibt immer dieselbige. Nun mein ich aber, wann wir in diese Toiletten gehen, so können wir alles sehen. Und wann das Fenstern offen ist, so hören wir auch, was gesprochen wird. Meinst nicht?“
    „Ja, das ist richtig.“
    „Willst?“
    „Meinswegen. Aber es muß bezahlt werden!“
    „Ein Markerl für die Person; das sind zwei Markerl; die zahl ich gern für das Vergnügen. Komm also! Der Zug wird bereits bald da sein.“
    Als sie nach dem Bahnhof gelangten, hielt eine feine Equipage in der Nähe des Perrons, und dabei stand der Konzertmeister mit dem Kapellmeister.
    „Schau“, erklärte der Sepp, „dort stehn die beiden Meistern, welche dich erwarten. Sie dürfen uns nicht sehen. Komm, wir gehn durch die andere Türen.“
    Der Kellner, von welchem Sepp den Schlüssel zur Toilette verlangte, guckte diesen nicht schlecht an. Das war ihm noch nicht vorgekommen, daß so ein Rucksackträger sich so fein erwies. Als die beiden eingetreten waren, schob Sepp den Riegel vor, um nicht etwa gar von denen, die er belauschen wollte, überrascht zu werden.
    Es läutete zum ersten Mal, und gleich darauf fuhr der betreffende Zug herein. Die beiden ‚Direktoren‘ eilten herbei. Sie richteten ihr Augenmerk natürlich nur auf die Coupés erster und zweiter Klasse. Grad gegenüber dem Fenster des Toilettenzimmers wurde ein Coupé geöffnet. Eine Dame blickte suchend heraus.
    „Signora Mureni“, rief der Kapellmeister laut. „Wo befindet sich Signora Mureni?“
    „Hier“, antwortete die erwähnte Dame.
    Die beiden Herren eilten herbei, rissen die Hüte von den Köpfen und verbeugten sich tief. Dann fragte der Kapellmeister:
    „Darf ich hier meinen Freund vorstellen? Ich bin Kapellmeister Naumann, der Verfasser des heutigen Telegramms. Dieser Herr ist der Herr Konzertmeister Rialti aus Bologna, welcher sich außerordentlich glücklich schätzt, bei dem Konzert mitwirken zu dürfen. Bitte, ihre Hand, Signora!“
    Er half ihr aussteigen. Aber je weiter die Dame sich aus dem Coupé hervorarbeitete, desto länger wurde sein Gesicht. Die Aussteigende hatte eine Taille, auf welche jener Reim gemacht zu sein schien:
    „Wenn ich so schlanke Taille hätt
Wie die Frau Marthe Stoffeln,
Fräß ich den ganzen Ziegenbock
Mit samt dem Korb Kartoffeln.“
    In Wahrheit war die Coupéöffnung beinahe zu eng für die Gestalt dieser Frau. Ihr hochrotes Gesicht glänzte vor Fett; der Atem schien ihr zu fehlen. Von einem Tritt auf den anderen herabzusteigen, schien für sie eine so große Anstrengung zu sein, daß beide Herren sie unterstützen mußten und die Last kaum halten konnten.
    „Ist das die Mureni?“ fragten sie sich.
    Unmöglich. Das war jedenfalls nur die Anstandsdame. Die Sängerin steckte wohl noch im Coupé. Der Kapellmeister warf einen Blick hinein. Es war leer. Unter Angst und Bangen erkundigte er sich:
    „Kommen Signora allein oder in Begleitung?“
    Die Dame hatte sich von der Anstrengung des Aussteigens noch nicht ganz erholt. Sie blies Luft von sich wie eine Walfischtante und wedelte sich mit dem Taschentuch Kühlung zu.
    „Nicht – nicht allein“, hauchte sie.
    „Ach, Gott sei Dank!“ dachte der Kapellmeister.
    „Ich – hab – hab mein Stuben – Stubenmädchen mit – dritter Klasse – Gepäck – dort!“
    Sie zeigte nach weiter hinten, wo die Wagen der dritten Klasse standen und eine Person, welche man an der Kleidung sofort als Dienstbote erkannte, im Schweiße ihres Angesichtes eine entsetzliche Menge von Handgepäck aus dem Coupé zerrte.
    Die Dicke sah das. Das Mädchen schien ihr nicht sorgsam genug mit den Sachen umzugehen, denn sie setzte sich in möglichst eilige, watschelnde Bewegungen nach der Stelle hin und rief dabei mit fetter Stimme:
    „Halt! Halt! Um Gottes – willen! Meine Mor – Morgenhau – haube! Meine Krau – Krausen! Mei – meine Saffi –

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