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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verlangend auf ihr. Er antwortete halb zornig und halb höhnisch:
    „Ah, du bist doch eine rechte Heldin! Siehst denn nicht, daß ich größer bin und breiter als du?“
    „So groß und breit du bist, so armselig bist auch. Vor dir braucht man sich nicht zu fürchten.“
    „Wollen doch mal sehen. Jetzt werd ich dich in meine Arme nehmen und dir ein Busserl geben.“
    „Du“, rief der Sepp, „das werd ich mir verbitten. Mein Paterl laß ich nicht anrühren. Ich hab dir auch bereits gesagt, daß es gefährlich ist.“
    „So! Soll ich mich vor dir fürchten?“
    „Ob du mich fürchtest oder nicht, das ist ganz gleich. Solang ich noch einen Arm hab und einen Stock, solang rührst das Dirndl doch nicht an.“
    „Halt!“ bat Leni. „Du sollst gar nix damit zu tun haben, Pat Sepp. Ich bin schon selbiger diejenige, die mit einem solchen Bub zu reden vermag.“
    Dabei schweifte ihr Blick nach einer alten, hohlen fast ganz abgestorbenen Weide, welche grad neben ihr am Zaun stand. Der Fingerl-Franz lachte laut auf.
    „Das ist schön, daß du mit mir zu reden vermagst! Das wünsch ich mir grad eben. Und darum wollen wir jetzt unser Gespaß anfangen, und zwar mit dem ersten Busserl, was ich dir geb.“
    Er streckte die Arme nach ihr aus. Sie wich bis an die Weide zurück und drohte ihm:
    „Laß ab von mir, Ungeziefern du, sonst ergeht's dir nimmer so, wie du's wünschen tust.“
    „Das werden wir gleich sehen!“
    Er wollte sie umfassen und bog den Kopf herab. Da aber holte das tapfere Mädchen aus und schlug ihm mit der Faust so auf die bereits beschädigte Nase, daß das Blut wieder herauslief. Er fuhr mit beiden Händen nach dem verletzten Gesichtsteil, so daß dieselben auch für einen Moment seine Augen bedeckten. Diesen Moment, an welchem er nicht sehen konnte, was sie tat, benützte Leni blitzschnell. Sie griff hinter sich in die hohle Weide hinein, an welcher sie lehnte und nahm beide Hände voll von dem feinen Modermehl, welches sich dort angesammelt hatte.
    Der Fingerl-Franz hatte sein Gesicht, wie gesagt, nur für diesen Augenblick in den Händen gehabt. Jetzt nahm er sie wieder von demselben weg und schrie:
    „Verdammtes Geschöpf! Das sollst mir entgelten!“
    Er griff nach ihr. Aber ehe er sie zu fassen vermochte, warf sie ihm gedankenschnell die beiden Hände voll Staub in die vor Wut weit offenen Augen und schlüpfte zwischen ihm und dem Zaun hindurch.
    Er schrie laut auf und begann zu wischen, zu sprudeln und zu pusten.
    „Hab ich dir's nicht gesagt!“ meinte der Sepp. „Es war gefährlich. Nun hast's!“
    „Hölle und Tod! Wann ich nur sehen könnt, so zermalmt ich sie, die Teufelin!“
    „Ja, mein Paterl ist des Teufels Großmutter. Sie hat Feuern in der Fingerln. Fühlst's nicht?“
    Statt seine Augen von dem Mehl frei zu bringen, wischte der Franz dasselbe nur erst recht hinein. Er fühlte einen entsetzlichen Schmerz und brüllte laut.
    „Komm, Pat Sepp, er hat genug“, sagte Leni leise.
    Sie faßte ihn beim Arm und zog ihn fort. Noch einige Zeit erklangen hinter ihnen die Drohungen des gewalttätigen Menschen; dann sahen sie ihn, als sie sich einmal umblickten, über den Zaun zurücksteigen. Das war das allerbeste, was er tun konnte. Beim Wirt fand er frisches Wasser zum Auswaschen der Augen.
    „Was du für ein wackres und tapfres Dirndl bist!“ lobte der Sepp seine Leni. „Mit so einem großen Riesen fertig zu werden! Das hätt ich nimmer dacht!“
    „Ja, weißt, man braucht sich nur nicht zu fürchten, nachher siegt man stets. Wer war denn dieser niederträchtige Kerlen?“
    „Ein Viehhändler. Ich erzähl dir schon noch von ihm. Wollen wir jetzt nicht mal nach dem Bahnhof gehn?“
    „Was wollen wir dorten?“
    „Ich möcht so gern die Empfangs-Depertation anschaun, wann du nicht mit dabei bist.“
    „Sepp, das ist mir zu gefährlich.“
    „Warum?“
    „Wann wir sie sehn, so sehn sie uns auch.“
    „Hm! Wir müssen uns verstecken.“
    „Auf Bahnhöfen gibts keine solchen Verstecke wie im Feld oder im Wald.“
    „Oh, hier dennoch. Ich weiß bereits eins.“
    „So? Wo?“
    „Weißt, da drin im Wartesaal erster Klassen, da habe ich mal hineingeschaut, weil ich auch sehen wollt, ob man sich in erster Klassen von vorn oder von hinten niedersetzt. Da habe ich eine Türen gesehen, daran ist zu lesen gewest: ‚Toilettenzimmer‘. Weißt, was das ist?“
    „Nun?“
    „Ich hab sogleich den Kellnern gefragt, und der hat's mir erklärt. Wann nämlich eine Herrschaften auf der

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