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66095: Thriller (German Edition)

66095: Thriller (German Edition)

Titel: 66095: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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30 Zentimeter voran. Plötzlich weiteten sich ihre Augen vor Schreck. »Whitney, ich hänge fest!«
    Whitney zuckte zusammen. »Wo?«
    »Mein linker Stiefel. Er steckt in einem Spalt im Boden fest!«
    Jeannies Gesicht lief feuerrot an, während sie sich abmühte, sich zu befreien. Dann gab sie auf und keuchte erschöpft. Das Wasser reichte ihr bis an den Mund, und sie spuckte aus.
    »Versuch es rückwärts«, rief Whitney. »Höhlenregel 101, weißt du noch? Was man reinkriegt, kriegt man auch wieder raus.«
    Jeannie nickte. Sie stützte sich an der Decke ab und drückte mit aller Gewalt, den Oberkörper nach hinten gebogen. Sie stöhnte vor Anstrengung, spannte sich erneut an, dann gab sie auf. »Keine Chance.«
    »Ich komme!«
    Whitney hievte ihren Schleifsack auf das Felsband und zwängte sich dann wieder in den Kriechgang. Jeannie hatte den Kopf in den Nacken gelegt, damit sie kein Wasser in den Mund bekam. Die Flamme ihrer Karbidlampe schwärzte die Felsendecke. Whitney schob sich mit drei Zügen vorwärts, dann war sie bei Jeannie angelangt. »Ich schiebe auf drei, okay?«, sagte sie.
    Jeannie schien sie nicht zu hören. Sie starrte auf den schwarzen Fleck an der Höhlendecke.
    »Auf drei!«, brüllte Whitney.
    »Okay.«
    »Eins, zwei, drei!«
    Whitney griff mit der linken Hand nach Jeannies Schulter und drückte mit aller Kraft. Sie spürte, wie sich Jeannies Muskeln anspannten und schließlich erlahmten. »Es hilft nichts«, sagte Jeannie.
    Helm an Helm lagen sie schwer atmend da und beobachteten, wie das Wasser im Schein der Lampe wirbelte. Dann begann Jeannie zu weinen. »Whitney, ich habe solche Angst.«
    Whitney unterdrückte ein Schluchzen. Sie dachte an ihre Tochter in der Schule und an ihren Mann, der auf dem Heimweg von Houston war. Sie sah Jeannie in die Augen. Im Lauf der Jahre waren sie einander wie Schwestern geworden.
    »Ich versuche noch etwas anderes, ja?«
    Jeannie konnte nicht sprechen.
    »Wenn ich es dir sage, dann drückst du deinen Körper so weit nach oben gegen die Decke, wie es geht. Ich schiebe mich unter dir durch und versuche, deinen Schuh aufzubinden. Fertig?«
    Jeannie nickte langsam.
    Whitney holte tief Luft und tauchte unter Wasser. Im Licht ihrer Stirnlampe war es halbwegs hell. Sie schob eine Schulter unter Jeannies Körper und streckte den Arm aus, so weit sie konnte. Ihre Finger streiften Jeannies Schenkel, ihr Knie, ihr Schienbein … Whitney schob sich weiter nach vorn, streckte sich wieder. Ihre Lungen brannten.
    Sie tauchte wieder auf. »Ich komm nicht dran. Ich …«
    Das Wasser drang ihr in den Mund. Jeannie starrte Whitney an. »Rette dich«, sagte sie.
    »Nein. Ich lass dich nicht allein.«
    »Für Tom und Cricket. Tu’s für sie. Hörst du?«
    Sie begriff jetzt nichts mehr, aber der Überlebensinstinkt sagte ihr, dass sie hier wegmusste, wenn sie nicht beide ertrinken wollten. Ohne nachzudenken trat sie den Rückzug an. Jeannie legte den Kopf weit zurück, um ihren Mund und ihre Lampe über Wasser zu halten. Als nur noch ein schmaler Luftstreifen übrig war, rief sie: »Sag meiner Mutter und meinem Vater und … Jim … dass ich sie liebe.«
    »O Gott, Jeannie, ich …«
    Aber Jeannies Flamme war erloschen, von der Flut verschluckt.

    »Whitney!« Finnerty packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Geht es Ihnen gut genug, um das zu machen?«
    »Nein«, sagte sie. Dann schaltete sie ihre Stirnlampe ein. »Aber ich gehe trotzdem.«
    Vorsichtig, als wäre der Fels elektrisch geladen, trat sie durch den Eingang und legte dann beide Hände auf die Höhlenwände. Der Kalkstein war glitschig und kühl und sah aus wie geschmolzenes Zinn. Der Gang führte nach links und dann steil bergab.
    Whitney wagte erst einen, dann einen zweiten unsicheren Schritt das steinerne Treppenhaus hinunter. Nun schlug ihr unverkennbar der pfeifende, modrige Atem der Höhle entgegen. Sie sah Sternchen, und als ihre Augen wieder ihren Dienst taten, war es, als hätte sie sich von ihrem Körper und den Ängsten, die in ihm steckten, losgelöst. Sie dachte an Tom und Cricket und dass sie diesen Weg vor dem Unfall Dutzende Male problemlos bewältigt hatte. Ungelenk machte sie ein paar weitere Schritte abwärts. Die Kalksteinwände schienen näher zu rücken. Sie wollte schreien, sich umdrehen und losrennen. Aber sie zwang sich weiterzugehen, Schritt für Schritt, obwohl sie das Gefühl hatte, dass ihre Beklemmung zunahm, als der Schein ihrer Stirnlampe das verblassende Tageslicht

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