66095: Thriller (German Edition)
verlor sich in Erinnerungen an die Nacht, in der sie geboren wurde.
Whitney war zwei Wochen über dem Geburtstermin, und es regnete wie aus Kübeln. Er arbeitete damals noch an seiner Doktorarbeit und war an seinem Schreibtisch eingeschlafen, so dass er nicht gleich hörte, als Whitney ihn rief. Dann weckte ihn ein Donnerschlag, und er hörte sie schreien. Als er ins Schlafzimmer kam, hatte Whitney bereits starke Wehen.
»Ich fahr dich ins Krankenhaus!«, rief er.
»Das schaffe ich nicht mehr«, schrie Whitney.
»Ich rufe einen Krankenwagen!«
Zwanzig Minuten später hielt ein Feuerwehrwagen vor dem Haus, und Tom verlor zum ersten Mal in seinem Leben die Beherrschung. Er rannte die Treppe hinunter und brüllte: »Hier brennt es nicht! Fahrt weiter! Ich brauche keine Feuerwehr! Meine Frau bekommt ein Baby!«
»Beruhigen Sie sich«, erklärte ihm der schnauzbärtige Feuerwehrhauptmann. »Wir haben einen Krankenwagen mitgebracht.«
Kurze Zeit später fuhr der Krankenwagen vor, gefolgt vom Sheriff des Orts, mit dem nicht gut Kirschen essen war und der Tom schon mehrmals Strafen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung aufgebrummt hatte. Dann marschierte die versammelte Mannschaft ins Haus und fand Whitney in den Wehen liegend auf dem Bett.
Whitney starrte die Brigade gut aussehender Typen an und stöhnte: »O Gott, warum muss ausgerechnet mir das passieren?«
Eine halbe Stunde später hockte Whitney auf dem Bett, von hinten von den Sanitätern gestützt, und presste bis Cricket in Toms Arme glitt. Die Feuerwehrleute jubelten. Der unbarmherzige Sheriff weinte.
»Ich passe auf, dass ihr nichts geschieht, Whitney«, murmelte Tom. Er war kurz eingedöst und schaute sich nun um. Die drei Häftlinge schliefen. Lyons, der Wärter, saß nur einen halben Meter entfernt, die Stirnlampe auf niedrigste Stufe eingestellt. Seine dunkle Haut war schmutzverschmiert. Er sah Tom ins Gesicht.
»Bleiben Sie cool, Burke«, flüsterte er. »Hier steht mehr auf dem Spiel, als Sie ahnen. Gregor mag aussehen wie ein Spinner, aber er ist ein Genie. Den Stein gibt es wirklich. Und er ist das wertvollste Ding auf dieser Erde.«
»Das ist mir scheißegal«, erwiderte Tom gelassen. »Mir geht es einzig und allein um meine Tochter.«
»Ganz genau. Sie kümmern sich um Ihre Tochter und bleiben cool, dann kriegen wir alle, was wir wollen.«
Cricket regte sich. »Dad?«
»Ich bin bei dir, mein Schatz«, sagte Tom. »Ich weiß, dass du Schlaf brauchst. Aber du musst auch essen, damit du stark bleibst und damit dein Körper genug Brennstoff gegen die Kälte hat.«
Cricket zwang sich, die Augen zu öffnen, setzte sich erschöpft auf und suchte in ihrem Schleifsack nach den Lebensmittelpaketen. Lyons warf Tom einen letzten Blick zu, dann rüttelte er Kelly, Gregor und Mann wach.
Während sie aßen, steigerte sich Gregor in ein manisches Hochgefühl hinein. Er stand auf und zog die Gurte seines Schleifsacks stramm. »Wie weit ist es noch bis zum nächsten Höhenzug?«, fragte er.
»400 Meter, wenn wir direkt durch den Fels gehen könnten«, erwiderte Tom. »Aber da oben wird’s knifflig, es gibt eine Menge Serpentinen und Schächte …«
»Was soll das heißen, Schächte?«, protestierte Kelly. Auf seinem Gesicht klebte verkrusteter Schlamm.
»Schächte«, sagte Tom. »Tiefe Löcher.«
»Ich hasse diese Höhle«, murmelte Mann.
»Denk nicht an die Schmerzen, Mann. Die gehen vorbei«, sagte Gregor mit ausladender Geste. »Aber die Sache ist es wert. Bald werden dir namenlose Reichtümer gehören, die der Stein erschafft.«
»Ach ja«, murrte Kelly. »Mich würde aber interessieren, wer den Stein bekommt?«
Bei dieser Bemerkung wurde Gregor hellwach. »Der Stein gehört m-mir«, erklärte er. »Ich habe seine Kraft entdeckt. Nur ich begreife sie.«
»Klar«, erwiderte Lyons und ließ den Blick über die anderen Häftlinge wandern. »Wir wüssten nicht einmal, was wir damit anfangen sollten, nicht wahr? Wie man damit umgeht, meine ich. Er gehört dir allein, Gregor. Also gehen wir hin und holen uns das Gold, stimmt’s?«
Gregor bedachte alle, vor allem Kelly, mit misstrauischen Blicken. »Stimmt«, sagte er schließlich.
Cricket beobachtete die Männer, die sie und ihren Vater als Geiseln genommen hatten, mit wachsender Verzweiflung. Ob sie beide am Leben blieben oder starben, war denen egal, das stand fest. Sie würden alles daransetzen, das Gold und diesen Stein zu bekommen, von dem sie ständig redeten. Gregor hatte gesagt, er
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