66095: Thriller (German Edition)
mitfühlend in die Kamera. »Wir können nur hoffen und beten, dass die hier in der Labyrinthhöhle angelaufenen Rettungsversuche erfolgreicher sein werden als jene zur Rettung von Floyd Collins.«
Drei Kilometer weiter nördlich hatte sich der Furnace in einen reißenden Strom verwandelt. Mit seinen Strudeln und hohen Wellen erinnerte er an die großen Flüsse im Westen zur Zeit der Schneeschmelze im Frühjahr.
Swain stand am Ufer oberhalb der Fähre und zog den Kopf ein, denn der Sturm trieb den Regen wie eine Wand vor sich her, so dass das nördliche Ufer des Furnace nur noch als verschwommene graue Linie zu erkennen war. Er trug einen gelben Regenmantel, eine Latzhose und hohe Gummistiefel.
Hinter dem Physiker tauchte Boulter auf, auch er wetterfest gekleidet. »Der Junge hat gerade auf der Website des Geologischen Forschungsdienstes nachgesehen«, sagte er. »Der Furnace hat einen Durchfluss von 1400 Kubikmeter pro Sekunde, Tendenz steigend.«
»Das Schlimmste steht uns noch bevor«, meinte Swain zustimmend.
Im Zelt der Kontrollzentrale hatte sich der Physiker gerade eben noch die neuesten Satellitenaufnahmen angesehen. Der Sturm bewegte sich Richtung Nordosten über die südlichen Appalachen und wurde immer stärker. Pro Stunde fielen jetzt bereits drei Zentimeter Regen. Die Windgeschwindigkeit betrug 83 Stundenkilometer, manche Böen erreichten sogar eine Spitzengeschwindigkeit von 104 Stundenkilometer. Die Sturmfront war 350 Kilometer breit. Das Zentrum des Sturms lag im nördlichen Mississippi, während er an seinem südlichen Rand aus dem warmen Golf von Mexiko Feuchtigkeit aufnahm. Am frühen Morgen hatte der Luftdruck 28,5 betragen, Tendenz sinkend. Im Laufe der folgenden fünfzehn Stunden, so die Vorhersage, würde er um mehr als ein Millibar pro Stunde sinken. Optimale Bedingungen für einen Hurrikan.
Das dünne Erdreich über dem Kalksteinplateau im Umkreis war nach dreizehn Stunden Regen völlig aufgeweicht. Bäume, deren Wurzeln sich durch die Erschütterungen des Bebens gelockert hatten, wurden vom Sturmwind ausgerissen, Stämme knickten um. Aufgrund des Unwetters war der Flugverkehr in der ganzen Region eingestellt geworden. Hubschrauber erhielten Startverbot, und damit konnten auch die bei dem Erdbeben Verwundeten nicht zur Behandlung in Krankenhäuser geflogen werden. Die unbefestigte Straße aus dem Süden hatte sich in eine glitschige, lehmige Rutschbahn verwandelt. Um Mitternacht war auch der Fährverkehr zum Erliegen gekommen. Das Einzige, was eine Flutkatastrophe jetzt noch aufhalten konnte, war der beschädigte Erdwall des Hermes-Stausees. Er lag von der Höhle 30 Kilometer flussaufwärts, und die Reparaturmannschaften waren rund um die Uhr im Einsatz.
»Wollen wir das wirklich machen?«, fragte Chester.
Swain drehte sich zu seinem Neffen um, der mit schreckgeweiteten Augen unter der Kapuze seines Regenmantels hervorlugte. Er klammerte sich an einen Rettungsring. »Können wir nicht warten, bis sich der Sturm etwas beruhigt hat?«
»Das ist Ihre Entscheidung, Dr. Swain«, meinte Boulter.
»Ich denke, wir haben keine andere Wahl«, erwiderte Swain. »Je früher wir den Stein lokalisieren können, desto besser.«
»Dann mal los«, sagte Boulter. Er kletterte in das Führerhaus eines Kleintransporters und setzte den Wagen samt Bootsanhänger ein Stück zurück Richtung Fluss. Das Boot war ein 5 Meter langer Walfänger, der sonst von Polizeitauchern bei der Suche nach Ertrunkenen benutzt wurde. Eine Welle schlug gegen das Heck des Bootes und fegte es vom Anhänger. Swain lief ins seichte Wasser, packte das Tau und hielt es fest, als ginge es um sein Leben.
»Komm her und hilf mir, Chester!«, rief der Physiker seinem Neffen zu. Aber der junge Mann rührte sich nicht von der Stelle. Der Anblick der Schaumkronen in der Mitte des Flusses ließ ihn erstarren.
Boulter fuhr den Wagen auf trockenen Boden und lief dann zu Chester und Swain. »Steigt ein!« Er sprang ins trübe Wasser und bestieg das Boot, Swain tat es ihm nach. Chester stand immer noch regungslos da.
»Na los, Chester!«, brüllte Swain.
»Ich kann nicht schwimmen.«
»Was?«, rief der Physiker verwirrt. »Das ist doch nicht möglich.«
Jetzt wurde Chester wütend. »Doch, es ist möglich! Du und Mom, ihr habt mich seit meinem dritten Lebensjahr in die Schule gesteckt. Ich habe nie schwimmen gelernt, Onkel Jeff. Nie. Du bist ständig geschwommen, aber mir hast du es nie beigebracht.«
Plötzlich wurde Swain
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