66095: Thriller (German Edition)
wiederholte Tom. »Von hier aus gesehen scheint sie ganz in Ordnung zu sein.«
»S-soll ich umkehren oder –?«, fragte Gregor.
»Gehen Sie weiter, Sie sind ja gleich drüben.«
Gregor zog den Kopf ein und kroch weiter. Lyons folgte ihm.
»Und jetzt Kelly«, sagte Tom.
Der dunkelhäutige Häftling sah auf die Brücke und schüttelte dann den Kopf. »Ich lasse Sie nicht mit dem Mädchen hier auf dieser Seite zurück«, sagte er. »Zuerst Sie.«
Tom zuckte die Schultern, dann ließ er sich auf alle viere nieder und begann hinüberzukriechen. Cricket sah, wie er einen Blick hinunter in den Abgrund warf und erschauderte. Als er die Hälfte der Strecke hinter sich hatte, hielt er plötzlich inne und nahm den Fels näher in Augenschein. Vermutlich will er wissen, woher das Geräusch stammte, das Gregor verursacht hatte, dachte sie.
Er kroch ein Stück weiter und wurde plötzlich kreidebleich.
»Was ist los, Dad?«, rief sie.
»Der Kalkstein hier – sieht aus wie gesprungenes Porzellan«, sagte er. »Oh, Scheiße!«
Auch auf fünf Meter Entfernung erkannte Cricket jetzt seitlich auf der Brücke mehrere feine Risse, die den Stein durchzogen.
»Bleib nicht stehen, Dad!«, rief Cricket ihm zu. Er kroch vorwärts. Aber die Risse breiteten sich immer weiter aus und ließen den Stein bersten. In dem Augenblick, in dem die Brücke hinter ihm auseinander brach, warf sich Tom mit ausgestreckten Armen nach vorn. Er bekam gerade noch den Felsvorsprung zu fassen, während ein gut drei Meter langes Stück der Brücke mit ohrenbetäubendem Lärm in die Tiefe krachte.
Alles ging so schnell, dass sich im ersten Augenblick keiner vom Fleck rührte. Dann warf sich Cricket auf den Bauch und schrie außer sich: »Lass nicht los, Dad!«
Tom tastete mit einer Hand über den mit Steinchen bedeckten Boden, um Halt zu finden. Er stöhnte und suchte mit den Beinen einen Tritt an der Felswand, bis ihn endlich Lyons und Gregor am Handgelenk packten und ihn über den Rand auf sicheren Boden zogen.
»Danke«, keuchte Tom.
»Keine Ursache«, gab Lyons zurück.
»Wir brauchen Sie noch«, meinte Gregor achselzuckend und sah über den Abgrund zu Kelly und Cricket hinüber. »Dann wären wir jetzt also zu dritt.«
Cricket fing Toms Blick auf, und sie begriffen. Ihre schlimmste Befürchtung war Wirklichkeit geworden. Sie waren getrennt. Drei, höchstens dreieinhalb Meter lagen zwischen ihnen. Aber diese Entfernung war unüberwindbar. Hinüberspringen konnte man nicht, und Seile hatten sie auch nicht dabei.
»Nehmen Sie Abschied, Burke«, sagte Gregor.
»Nein, Daddy«, rief Cricket, und Panik stieg in ihr auf. »Geh nicht!«
»Hey!«, schrie Kelly, der ein Stück hinter Cricket stand. »Ihr könnt mich doch nicht einfach hier zurücklassen. Wir haben eine Abmachung.«
»Abmachungen können sich ändern«, gab Gregor zurück.
»Burke«, schrie Kelly. »Haben Sie nicht gesagt, dass der Weg an dasselbe Ziel führt?«
Mit Tränen in den Augen sah Cricket, wie ihr Vater nickte. »Das ist richtig.«
»Dann sagen Sie uns, wie wir hinkommen«, brüllte Kelly. »Das ist Ihre einzige Chance, wenn Sie Ihre Tochter wiederhaben wollen, hören Sie?«
Zum ersten Mal in ihrem Leben sah Cricket, dass ihr Vater wirklich Angst hatte. Der Schweiß war ihm ausgebrochen, und seine Halsmuskeln zitterten. »Du wirst es schaffen, Cricket«, sagte er.
»Nein«, rief sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich will bei dir sein.«
»Das will ich auch, aber es geht nicht«, sagte Tom.
»Hör auf deinen Vater, Cricket. Dein Leben hängt davon ab«, warf Lyons ein.
Aber Cricket schenkte ihm keine Beachtung. Ihr Blick hing flehentlich an ihrem Vater. »Bitte, Dad. Es muss eine andere Möglichkeit geben. Ich werde mich verirren.«
Er schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Finger auf sie. »Du wirst dich nicht verirren, und ich werde dich wiedersehen. Wir werden hier rauskommen und wir werden zu Mom zurückkehren. Wir werden uns alle drei wiedersehen, du und ich und Mom. Es ist nur ein kleiner Umweg. Hörst du?«
Cricket nickte, in Tränen aufgelöst. »Ja.«
»Gut, und jetzt hör mir ganz genau zu«, sagte er, und seine zittrige Stimme wurde von den Felswänden zurückgeworfen. »Der Weg führt zum größten Teil durch eine große Höhle. Es gibt nur eine Engstelle, das ist die Verbindung zum Parker-Kamm. In den folgenden beiden Stunden benutzt du an jeder größeren Weggabelung deinen Kompass und hältst auf Nord-Nordwesten zu. Nach zwei Stunden kommst du zu
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