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68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

Titel: 68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gegenüber. Sie hatten einander noch nie gesehen, und doch war es beiden, als müßten sie sich fragen, wo sie einander bereits schon begegnet seien. Max verbeugte sich höflich, und das schöne, junge Mädchen beantwortete seinen stummen Gruß mit einer ähnlichen Verneigung. Die Wangen beider waren rot geworden. Da endlich hatte sich die Bürgermeisterin gefaßt. Sie begann beherzt:
    „Ich konnte gnädiges Fräulein heut nicht mehr erwarten, bin aber nur um so mehr erfreut und erlaube mir, Ihnen meinen Sohn vorzustellen – Max Walther, welcher einen anderen als meinen jetzigen Namen trägt. Milda, Baronesse von Alberg, die neue Herrin des hiesigen Schlosses.“
    Die Verbeugungen wurden wiederholt, und Milda bemerkte dabei in ihrer Aufrichtigkeit:
    „Ich danke Ihnen recht herzlich. Ich hatte bisher keine Ahnung, daß Sie so glücklich seien, einen Sohn zu besitzen.“
    „Oh, die Wahrheit zu sagen, ich wußte ja selbst noch nicht, ob ich ihn noch besaß.“
    „Wie? Ist das möglich?“
    Max sah, daß seine Mutter antworten wollte. Er wünschte um ihretwillen, daß sie nicht allzu aufrichtig sein möge, und fiel also schnell ein:
    „Ich bin nämlich ein verlorener Sohn gewesen, da ich der Mama als kleiner Knabe während einer Reise abhanden kam. Es wurde zwar voller Angst nach mir geforscht, leider vergebens. Erst heut sind wir so glücklich, uns endlich wiedergefunden zu haben.“
    „Mein Himmel! Das ist ja ein wirklicher Roman! Ich denke, so etwas kann in unserer nüchternen Welt gar nicht mehr vorkommen! Was müssen Sie gelitten haben. Sie ärmste Freundin! Ich kann mir das denken und freue mich um so mehr, Ihren Kummer gestillt zu sehen. Aber warum haben Sie mir denselben nicht mitgeteilt?“
    Sie hatte voll innigsten Mitgefühls die Bürgermeisterin umarmt.
    „Mama wollte nicht von ihrem Kummer sprechen“, antwortete Walther, „weil dadurch die Wunde, welche ja niemals heil geworden war, immer schmerzlicher geworden wäre.“
    „Aber ein still getragener Schmerz ist ja viel schrecklicher als ein Leid, welches durch Teilnahme gemildert wird. Ich möchte Ihnen wirklich zürnen, daß Sie gegen mich so verschwiegen gewesen sind. Nicht einmal erfahren habe ich, daß der selige Bürgermeister Ihr zweiter Mann gewesen ist.“
    „Er war ja der erste!“ entfuhr es der Frau.
    „Mutter!“ warnte Max.
    „Der erste?“ fragte Milda verwundert. „Und Herr Walther heißt nicht Holberg?“
    „Weil man, als ich von fremden Menschen gefunden wurde, meinen Namen ja nicht kannte“, erklärte der vorsichtige Lehrer.
    Seine Mutter aber schüttelte den Kopf, reichte ihm die Hand hin und sagte:
    „Ich danke dir, Max! Du willst mir Hilfe bringen, welche aber keine Hilfe ist. Du sagst die reine Wahrheit, welche aber dennoch eine Unwahrheit ist. Warum soll ich nicht den Mut haben, das Richtige zu sagen, da mich kein Vorwurf treffen kann? Gnädiges Fräulein, ich gestehe Ihnen aufrichtig, daß ich nicht weiß, wer der Vater meines Sohnes ist.“
    Zunächst war das der jungen Dame gar nicht faßbar. Dann breitete sich eine glühende Röte über ihr Gesicht. Sie fühlte das und errötete darüber noch tiefer, in der Besorgnis, die Frau, welcher sie eine so aufrichtige Hochachtung zollte, beleidigen zu können. Darum ergriff sie schnell die beiden Hände derselben und sagte:
    „Ich besitze keine Erfahrung, Frau Bürgermeisterin, aber ich ahne doch, daß Sie viel, viel gelitten haben müssen. Der liebe Gott mag Sie von nun an desto glücklicher sein lassen.“
    In ihrer tiefen Teilnahme küßte sie die vielgeprüfte Frau auf die Stirn. Dadurch wurde die letztere so gerührt, daß sie es nicht über das Herz bringen konnte, das gute, liebe Mädchen in Ungewißheit zu lassen. Sie begann zu erzählen.
    Sie entschuldigte sich nicht. Sie klagte sich selbst an, so daß Max öfters ein Wort der Verteidigung für sie einwerfen mußte. Aber dennoch fiel alle, alle Schuld auf den herz- und gewissenlosen Betrüger, welcher sich nicht gescheut hatte, ein solches Verbrechen an einem reinen und vertrauensvollen Mädchenherzen zu begehen.
    Milda war ganz sprachlos vor Entsetzen. Es war ihr unmöglich, daß es solche Menschen geben könne. Sie wollte es nicht glauben, bis die Bürgermeisterin jenen Brief herbeibrachte, welchen sie als letztes Lebenszeichen von dem Betrüger empfangen hatte.
    Weder Max noch die Baronesse waren imstande, die von Tränen so vielfach verwischten Schriftzüge zu lesen. Als aber die Bürgermeisterin die Zeilen,

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