68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
aus denen ein so grausamer, ordinärer und giftiger Hohn sprach, vorgelesen, faltete Milda die Hände und rief unter strömenden Tränen:
„Mein Himmel! So eine Sprache! Und Sie sind nicht vor Herzeleid gestorben!“
„Ich war gelähmt, nicht am Körper, sondern am Geist, an der Seele, am Herzen. Mein damaliger Zustand läßt sich nicht beschreiben. Er ist nur zu vergleichen mit einem fürchterlichen Traum, in welchem man moralisch niemals zur Verantwortung gezogen werden kann. Max, was hast du?“
Sie hatte gehört, daß seine Zähne laut zusammenknirschten. Sein Gesicht war leichenblaß, und seine Augen glühten.
„Herr Walther, was ist Ihnen?“ fragte auch Milda voller Angst.
„Nichts, nichts“, antwortete er tonlos und mit Anstrengung. „Und du hast ihm vergeben?“
„Ja, mein Sohn.“
„So bist du ein Engel, ich aber bin ein schwacher Mensch und vermag es nicht, mich zu einer so himmlischen Milde emporzuschwingen. Ich habe dich heut gebeten, ihn zu vergessen und nicht nach ihm zu forschen. Jetzt aber, nachdem ich seinen Brief gehört habe, dieses Machwerk eines satanischen Menschenherzens, jetzt werde ich alle Minen springen lassen, um zu erfahren, ob und wo er noch lebt. Und wehe ihm, wenn ich ihn finde!“
Man hörte die Gelenke seiner Finger knacken, so ballte er die Hände zusammen.
„Um Gottes willen, was würdest du tun?“
„Das weiß ich noch nicht. Ich bin vor Grimm und Abscheu völlig fassungslos.“
„Und ich“, sagte Milda, „ich weiß, was ich tun würde, wenn ich ein Mann wäre!“
Auch ihre Augen leuchteten in edlem Zorn.
„Was würden Sie tun?“
„Ich würde ihn fordern und dann niederschießen.“
„An meiner Stelle? Wenn Sie, wie ich, sein Sohn wären?“ fragte Max.
„Sein Sohn! O Gott, ja, da wären Sie ja ein Vatermörder! Nein, nein, das ist unmöglich! Aber sollte er denn seine Strafe nicht finden?“
„Freilich soll er sie finden“, erklang es hinter ihnen. „Dafür werden zwei sorgen, die ihn nicht entkommen lassen, nämlich dera Herrgott und dera Wurzelsepp.“
Als sie sich nach der Tür umdrehten, stand der alte Sepp unter derselben. Er hatte angeklopft, ohne von ihnen gehört zu werden, und war sodann eingetreten. Er zog seinen Hut und schwenkte ihn vor Milda tief auf den Boden herab.
„Grüß Gott und guten Abend auch, gnädige Madmoisellen Baronessen! Verzeihen 'S, daß ich stört hab! Ich hab schon fein richtig aniklopft, aber es hat's halt gar niemand hören wollt. Darum bin ich halt hereinistiegen, und wann ich Sie verschrocken hab, so ist's doch nicht bös meint gewest.“
Sie fühlte sich allerdings einigermaßen befremdet, diesen so ärmlich gekleideten Menschen hier im Haus der Bürgermeisterin zu sehen. Zwar hatte diese ihr bereits am Morgen erklärt, daß sie nach Hohenwald gerufen worden sei, und jedenfalls war dieser Mann der Bote gewesen. Warum aber befand er sich nun am Abend noch bei ihr?
Sie hatte zu wenig Weltgewandtheit, als daß sie sich hätte verstellen können. Darum las er ihr ihre Gedanken vom Gesicht ab. Er nickte ihr freundlich zu, blinzelte sie in seiner eigenartigen Weise vertraulich an und fragte:
„Nicht wahr, Sie wissen halt gar nicht, wie so ein alter Schlingelschlangel es wagen kann, sich hier schauen zu lassen? Na, wann 'S denen Sepp erst mal kennenlernt haben, so werden 'S ihm auch so ein klein wengerl gut sein wie die andern Leutln, denn brav sind 'S halt von Herzensgrund; das schaut man Ihnen ganz gut an, und ein brav Gemüt braucht sich vor dem Sepp nicht zu fürchten.“
Als er ihr nun nochmals mit seiner urwüchsigen und gewinnenden Freundlichkeit zunickte, fühlte sie sich doch für diesen originellen Kauz gefangengenommen und antwortete:
„Nun, Furcht hab ich nicht grad vor Ihnen. Ich dachte nur eben an die ungewöhnliche Art und Weise, in welcher Sie heut am frühen Morgen Ihre Erkundigungen nach meinem –“
„Pst! Still!“ unterbrach er sie warnend. „Wissen 'S, das ist halt ein groß Geheimnissen, und da sein 'S so gut und tun 'S mir denen Gefallen, niemand nix davon zu verzählen!“
„Aber hoffentlich erfahre ich noch, warum Sie mich so angelegentlich nach dem –“
„Pst, pst! Nennen 'S jetzt keinen Namen! Natürlich werden 'S alles derfahren, und zwar wohl noch viel ehern, als Sie's denken. Dera Sepp hat bei allem, was er tut, seinen guten Grund. Aber die andre, die heut mit bei Ihnen war, die schicken 'S halt ja recht bald nach Haus. Die ist Ihnen gar nix nutz. Die hat ein
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