68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
wie ich.“
„Ebenso? Also sind auch Sie nicht von hier?“
„Nein.“
„Hm! Nun, so bitte ich, mir zu sagen, wohin Sie wollen.“
„Ich muß nach –“
‚Steinegg‘, hatte sie sagen wollen. Aber bevor sie den Namen aussprach, fiel ihr ein, daß sie dadurch ihren Wohnort verraten würde. Sie dachte daran, daß sie ja ‚Hohenwald‘, sagen könne. Von dort aus führte die Straße nach Steinegg, und wenn sie dieselbe nicht verließ, so konnte sie sich nicht wieder verirren. Darum fuhr sie fort:
„Ich will hinab nach Hohenwald.“
„Haben Sie dort Verwandte?“
„Ja.“
Das war ja keine Unwahrheit, denn sie hatte den Bruder dort. Rudolf blickte ihr forschend in das Gesicht, drohte ihr mit dem Zeigefinger und sagte:
„Fräulein, Fräulein! Ich fühle beinahe Lust, Ihnen nicht zu glauben.“
„Warum? Ich sage ja die Wahrheit. Ich will wirklich nach Hohenwald.“
„Und vorhin sagten Sie, Sie seien in Hohenwald gewesen, mit einer lieben, mütterlichen Freundin, und hätten sich dann auf dem Rückweg verirrt.“
„Hätte ich das Wort Rückweg wirklich gebraucht? Das glaube ich nicht.“
„Ähnlich aber klang es.“
„So legen nur Sie meinen Worten diese falsche Bedeutung bei.“
„Mag sein. Wenn Sie hier hinabblicken, so sehen Sie Hohenwald da unten liegen. Sie haben also da rechts den Berg hinabzusteigen, immer unter Bäumen weg, und kommen dann auf die Straße, welche nach dem Ort führt. Wenn Sie links in dieselbe einbiegen, können Sie gar nicht fehlen. Nach rechts hin aber würde Sie nach Steinegg kommen.“
„Ich danke Ihnen. Aber ob ich die Straße auch wirklich finden werde?“
„Ganz gewiß, wenn Sie immer geradeaus gehen, den Berg hinab.“
Sie blickte so ziemlich ratlos vor sich hin.
„Ich habe dennoch Sorge. Wissen Sie, ich bin noch niemals allein im Wald gewesen. Ich kann die gerade Richtung nicht einhalten. Die vielen Bäume machen mich irr. Ich laufe ganz gewiß im Kreis herum, so daß ich früher oder später, wohl gar erst bei Nacht, wieder hier ankomme. Ich habe so Angst.“
Er nickte bedächtig vor sich hin.
„Ja, da werde ich Sie bitten müssen, einige Zeit hier zu verziehen.“
„Ich soll warten? Warum?“
„Weil ich jetzt gehen werde, um Ihnen einen Führer zu senden. Bis dieser kommt, werden Sie also hier warten müssen.“
„So ganz allein!“
„Leider ist niemand da.“
„Hier mitten im Wald!“
„Oh, das darf Sie nicht beängstigen. Sie befinden sich hier ja nicht in den Abruzzen oder im Bakonyerwald, wo es selbst heut noch Raubgesindel geben soll. Sie können inzwischen die Schönheit der Gegend genießen.“
Sie blickte verlegen in das Tal hinab und dann ihm in das Gesicht. Dasselbe war so ruhig und unbewegt, als ob er bei dieser Angelegenheit gar nicht mehr beteiligt sei.
„Aber bitte“, begann sie wieder, „Sie wollten doch wohl auch durch den Wald.“
„Ja, da hinüber!“
Er zeigte hinter sich.
„Und wo wollen Sie den Führer holen?“
„Natürlich unten in Hohenwald. Ich schicke Ihnen denselben herauf. Er kann Sie gar nicht verfehlen, denn dieser Felsen hier bietet einen ganz sichern Anhaltspunkt.“
Wieder schwieg sie eine Weile, blickte ihn verstohlen an und sagte endlich:
„Aber wenn Sie nach Hohenwald hinab wollen, um dort den Führer zu holen, so könnte ich doch lieber gleich mit Ihnen gehen.“
Er tat, als ob er über dieser Worte sehr überrascht sei.
„Mit mir? Sie scherzen!“
„O nein! Es ist mein Ernst.“
„Aber Sie sind ja soeben in einem solchen Zorn von mir gegangen, daß es ganz unmöglich ist, daß ich Sie begleite.“
Da lachte sie hell und melodisch auf.
„In einem solchen Zorn! Oh, das hat bei mir nichts zu bedeuten. Das war ja kein eigentlicher Zorn. Das war nur so ein bißchen Eigensinn. Und nun werden Sie wohl erkennen, daß ich keine solche weiche, gutherzige Milda bin, wie Sie vorher geglaubt haben.“
„Ja“, lächelte er, „man muß sich freilich sehr hüten, Sie in Harnisch zu bringen. Mir scheint doch, daß mit Ihnen nicht gut Kirschen essen sei.“
Das war ihr wieder nicht recht. Eine so falsche Ansicht sollte er denn doch nicht von ihr haben. Darum fiel sie schnell und eifrig ein:
„So schlimm, wie Sie es machen, ist es nun freilich nicht. Sie könnten es immerhin versuchen, eine Maß Kirschen mit mir zu verspeisen. Wenigstens dürfen Sie mir zutrauen, daß Ihr Leben nicht in Gefahr kommt, falls Sie die Güte haben wollen, mich aus dieser Baumwildnis in geordnete Zustände
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