68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
zu bringen.“
„Wenn Sie das versichern, so will ich es einmal wagen.“
„Tun Sie das! Zu Ihrer Beruhigung will ich Ihnen mitteilen, daß Sie gar nicht ganz mit bis nach Hohenwald zu gehen brauchen. Es ist vollständig genügend, wenn Sie mich nach der Fahrstraße bringen. Dann finde ich mich schon selbst zurecht.“
„Wieder in die Wildnis hinein!“
„Nein, denn ich werde die Straße nicht abermals verlassen.“
„So werde ich mich Ihnen sehr gern zur Verfügung stellen.“
Er holte sein Ränzchen, welches noch in der Höhle lag, aus derselben, und schnallte es sich auf den Rücken, ergriff den Stock und forderte sie durch eine Verbeugung auf, ihm zu folgen.
Als sie nun hinter ihm herschritt und Gelegenheit hatte, seine Bewegungen zu beobachten, konnte sie nicht umhin, zu bemerken, wie gewandt und elegant dieselben waren.
Erst führte der Weg noch eben dahin, bald aber senkte er sich steil hinab.
„Hier gilt es, vorsichtig zu sein“, warnte Rudolf. „Der Boden ist vom Regen naß und schlüpfrig. Wollen Sie mir nicht lieber Ihren Arm geben, Fräulein?“
„Ich danke“, wehrte sie ab.
Sie hatte das aber sehr bald zu bereuen, denn sie glitt aus, und wenn es ihr nicht gelungen wäre, noch rechtzeitig einen Baumstamm zu erfassen, so wäre sie gewiß gestürzt.
Rudolf fragte jetzt gar nicht. Er ergriff ihre Hand, zog ihren Arm in den seinen und führte sie nun sicher weiter. Er hätte den Fußweg benutzen können, auf welchem er vorhin heraufgekommen war, doch unterließ er dies absichtlich. Je unbequemer das Gehen war, desto mehr mußte das schöne Mädchen sich auf ihn verlassen, und es war ihm eine Seligkeit, zu fühlen, wie fest und nachhaltig sie sich auf seinen Arm stützte.
Aber das ging endlich doch zu Ende. Sie erreichten die Straße, und Rudolf erklärte abermals:
„Rechts nach Steinegg und links nach Hohenwald. Diese letztere Richtung müssen Sie also einschlagen.“
„Ich danke Ihnen. Und wie gehen nun Sie?“
„Ich kehre zur Höhe zurück, von welcher wir gekommen sind, und verfolge meine Richtung dann weiter.“
„Darf ich nicht wenigstens erfahren, welches Ihr nächstes Ziel ist?“
„Nein. Elsa von Brabant darf nicht erfahren, wohin ihr Lohengrin sich wendet.“
Sie standen voreinander, auf einsamer Waldstraße. Beide glaubten, daß dieses Scheiden wohl ein Abschied für das Leben sei. Milda blickte still zu Boden, und er ergriff mit seinem Blick die liebliche Gesamtheit ihrer Gesichtszüge.
„Wenn Freunde auseinandergehn
So sagen sie: Auf Wiedersehn!
Das ist ein Dichterwort, welches auf uns wohl keine Anwendung findet, Fräulein Milda. Darum bitte ich Sie herzlich, mich noch einmal freundlich anzublicken. Ich möchte mir Ihre Züge gern für mein Leben lang einprägen und dieses freundliche Bild mit hinausnehmen in die Zukunft, welche sich mir jedenfalls ernster gestaltet als Ihnen.“
Sie erhob ihr Auge zu ihm. Es strahlte ihm warm, aber nicht hell entgegen. Es glänzte feucht, wie unter einer tiefen, wehmütigen Rührung.
„Auch ich werde Sie nicht vergessen“, sagte sie. „Es war ein unerwartetes Treffen und schnelles Scheiden; aber es gibt Bilder, welche sich der Seele unauslöschlich einprägen, obgleich man sie nur einen Augenblick lang sah.“
„So ist das Ihrige!“
„Nehmen Sie meinen innigsten Dank für den großen Dienst, welchen Sie mir leisteten. Ich kann Ihnen denselben leider nicht vergelten, da Sie sich weigern, mir Ihren Namen zu sagen.“
„Daran sind nur allein Sie schuld. Der Dank aber gehört Ihnen. Ich nehme eine Erinnerung von hier mit fort, welche nur mit mir selbst aufhören und sterben wird. Leben Sie wohl!“
Sie hatte ihm ihre Hand entgegengestreckt. Er ergriff dieselbe. Sein Auge leuchtete so innig traurig auf sie nieder; seine Lippen bebten; sie bemerkte das.
„Gott behüte Sie!“ flüsterte sie, zog ihre Hand aus der seinen und wendete sich ab.
Sie war bereits mehrere Schritte gegangen, langsam und zögernd.
„Melusine!“ erklang es hinter ihr.
Sie blieb stehen und drehte sich um. Er kam auf sie zu. Sie abermals bei der Hand, bei allen beiden Händen fassend, sagte er:
„Wenn die Fee scheidet, so soll sie als Fee scheiden, beglückend, damit der Augenblick des Abschieds seinen Glanz hinein in das spätere lichtlose Leben werfe. Darf ich?“
Er hatte sie an sich gezogen und bog den Kopf zu ihr hernieder.
„Was?“ flüsterte sie erglühend.
„Den letzten Kuß in meinem Leben!“
Er schlang die Arme um sie und
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