68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
einzigen.“
„So haben auch sie ihr vergeben?“
„Vergeben? Oh, die wissen ja gar nicht, daß sie dera Muttern was zu vergeben haben.“
Sie hob den Kopf mit einem schnellen Ruck empor.
„Nicht? Sie wissen's nicht?“
„Nein, kein Wort. Ich hab allein, ganz allein unglücklich sein wollen. Wann ich auch die Kindern hätt unglücklich machen wollt, so wär ich ja doppelt elend gewest. Sie haben nie derfahren, daß ihre Muttern noch lebt, daß ihre Muttern fortgegangen ist und sie verlassen hat. Sie haben immer dacht, daß die Muttern storben ist, daß sie im Himmel ist. Ich hab denen Kindern nicht das Glück nehmen wollt, gern an ihre Muttern zu denken und des Abends, wanns schlafen gehen, und des Morgens, wanns aufstehen, für sie zu beten.“
Da stand sie auf. Sie faltete die Hände und stieß, vor Bewegung am ganzen Körper bebend hervor:
„Wie? Das, das hattest tan?“
„Ja. Ich hab Anna liebhabt, und die Kindern sollen sie auch liebhaben.“
„Was – bist – doch – für ein Mann!“ schrie sie förmlich laut auf. „Was sie an dir verbrochen hat, kann ihr nimmer, nimmer vergeben werden!“
„Ich hab's ihr verziehen, und dera liebe Herrgott wird nicht weniger barmherzig sein als ich.“
„Aber haben's die Kindern wohl nicht von fremden Leuten derfahren?“
„Nein. Solang ich krank legen hab, sind's bei dera Müllerin gewest und mit niemand zusammenkommen. Und sobald ich hab laufen könnt, bin ich von Haus zu Haus gangen und hab die Leutln beten, denen armen Kindern nix von dera Mutter zu verzählen. Diese Bitten ist mir derfüllt worden, denn wann's einer verraten hätt, so hätten die Kindern mir's ja sagt und mich fragt. Nein, nein, die Anna braucht sich vor ihnen nicht zu schämen.“
„Oh, wanns das wüßt, so tät's vor Glück vergehen. Und sag nun auch noch, was die Kindern machen!“
„Die sind heranwachsen ehe man's dacht hat. Die Zeiten vergeht ja schnell. Vorhin, alst beim Silberbauern standen bist, hast das Dirndl sehen, was die Laternen in dera Hand habt hat?“
„Ja.“
„Wie hat's dir gefallen?“
„Das ist ein gar prächtiges Dirndl gewest. Hat's in die Mühlen gehört?“
„Bereits ja, denn sie ist dem Müllern seine Braut. Das ist nämlich die Lisbetherl.“
Da stieß die Frau einen lauten Freudenruf aus.
„Die Lisbetherl, die Lisbetherl ist's gewest! O Gott, o Gott! Wie schön sie war! Der Herrgott mag sie glücklicher machen als ihre Muttern!“
„Die ist bereits glücklich. Weißt, das Lisbetherl ist eine gar Saubere und Richtige und auch Brave! Von der könnt ich dir verzählen wochenlang. Die ist mein Glück und mein größte Freuden.“
„Die? Dera Buben also nicht.“
„Oh, der auch. Dem hab ich noch nie ein böses Wörtle sagen dürfen. Aber er ist halt nicht gesund.“
„Mein Gott! Was fehlt ihm denn?“
„Ja, wann ich das wissen tät! Weißt, als meine Frauen damals fort ist, da war die Lisbeth so klein, daß sie gar nix wußt hat. Dera Hans aber hat schon den Verstand habt. Ich war krank, so daß er nicht zu mir durft, und so hat er ohne End und Aufhören nach dem Vatern und nach dera Muttern schreit. Er hat sich da so abjammert und abhärmt, daß er ganz elend worden und bis heut auch schwach blieben ist. Eine Arbeiten kann er nicht machen. Seine größte Freuden ist, wann er am Tisch sitzen und Bilder machen darf aufs Papieren. Ich hab den Doktoren fragt. Der schüttelt den Kopfen, sagt einen fremden Namen für die Krankheit und meint, daß der Hans gesund werden kann, wann er in ein Land kommen könnt, wo ein wärmeres Klima ist.“
„Mein Himmel! Und das kann er nicht?“
„Nein, denn ich bin arm.“
„Das glaub ich wohl. Und einen Arm hast auch nur; da wirst nimmer viel verdienen.“
„Ich mach Holzlöfferln. Wann ich da am Tag zwanzig Pfennig hab, so ist's gar viel.“
„Und davon mußt leben?“
„Davon und von dem, was das Lisbetherl verdient. Die macht mit dera Nadeln gar saubere Sachen und arbeitet Tag und Nacht. Verkommen tun wir da freilich schon, aber gar bescheiden. Eine Suppen aus Kartoffelschalen, die kommt sehr oft auf den Tisch bei uns.“
„Eine – Suppen – aus – Kartoffelschalen!“ wiederholte sie. „Die Kindern müssen eine Suppen aus Kartoffelschalen essen! Und das viele Geld, was ihnen gehören tat, das hab ich mitnommen, das hab ich ihnen stohlen, ihnen und dir, das hab ich dem Silberbauern an den Hals worfen! Oh, ich Rabenmuttern, ich Rabenmuttern!“
Der Gedanke, daß ihre Kinder
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