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68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

Titel: 68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hätte sie sich dabei im Spiegel sehen können, so wäre sie entweder über sich erschrocken oder über sich errötet.
    Darüber steckte sie das Porträt weg und griff zu Aufzeichnungen, Büchern und Plänen, um sich auf die Unterredung mit den Künstlern, welche sich gemeldet hatten, vorzubereiten.
    Darüber verging der Vormittag. Sie war gewöhnt, nach dem Diner einen kurzen Ausgang zu unternehmen. Sie ging hinab in den Garten und dann in den Park. Dabei gelangte sie an die Straße, die denselben durchschnitt und grad hier eine scharfe Biegung machte. Im Begriff, über die Straße hinüberzuschreiten, hörte sie Schritte. Ohne sich zu fragen warum, blieb sie stehen. Der Nahende bog um die Krümmung und sah sie. Auch er blieb stehen. Sie standen sich gegenüber, kaum zehn Schritte entfernt – Rudolf Sandau war es.
    Er zog grüßend den Hut. Sie erglühte bis in den Nacken herab.
    „Fräulein!“ stammelte er.
    „Sie!“ stieß sie hervor.
    Er trat langsam, zögernd näher. Sie hob den Fuß, um zu gehen, setzte ihn aber wieder nieder.
    „Was tun Sie hier?“ fragte sie.
    „Ich habe in Steinegg zu tun.“
    „Wirklich?“
    „Ja.“
    „Unser Wiedersehen ist also ein rein zufälliges?“
    „Gewiß. Oder denken Sie, daß –“
    Er sprach den Satz nicht aus.
    „Ich habe vorgezogen, zunächst gar nichts zu denken“, antwortete sie. „Es freut mich aber, zu hören, daß nur der Zufall Sie nach Steinegg führt. Unser gestriges Zusammentreffen war die Improvisation eines neckischen Waldgeistes, und Improvisationen dürfen nicht von langer Dauer sein, sonst verlieren sie ihren Wert. Leben Sie wohl!“
    Sie schritt vollends über die Straße hinüber und verschwand hinter den dort stehenden Büschen. Er hatte gar nicht Zeit gehabt, seinen Hut zum Abschied zu ziehen.
    Er nahm ihn erst jetzt ab, zog das Taschentuch und wischte sich die Stirn ab. Sein Gesicht war sehr bleich geworden. Er preßte die Hand auf das Herz, setzte den Hut wieder auf und ging weiter, doch nein, er kehrte um, bückte sich da, wo sie gestanden hatte, nieder und hob einige Körnchen des Sandes auf, welchen ihr Fuß berührt hatte. Er riß ein Blatt aus der Brieftasche, legte es in Kuvertform zusammen und tat den Sand hinein. Erst nun, nachdem er die Brieftasche wieder eingesteckt hatte, setzte er seinen Weg fort, aber langsam, recht langsam, als ob er an einer Last zu tragen habe.
    Und Milda? Wenn sie das gesehen hätte?
    Nun, sie hatte es gesehen. Sie war zwar hinter den Büschen verschwunden, da aber nicht weitergegangen, sondern stehengeblieben. Sich umwendend sah sie, daß sie ihn beobachten konnte, ohne von ihm gesehen zu werden. Sie sah also, was er tat. Sie blickte ihm nach, bis er unten, wo die Straße nach der Stadt zu steiler abfiel, verschwand.
    Nun war er fort, und sie trat wieder auf die offene Straße heraus. Aber sie ging nicht über dieselbe zurück, sondern – sonderbarerweise – schritt sie zu der Stelle, auf welcher er gestanden hatte. Die Spur seines Fußes war noch dort zu sehen. Sie bückte sich, nahm einige Fingerspitzen des Sandes auf und verbarg die feinen Körnchen in das Innerer ihres Handschuhes.
    „Sand!“ flüsterte sie dabei. „Das Zeichen der Vergänglichkeit. Der Sand verrinnt. Diese Körner aber sollen mir nicht verrinnen. Ein Italiener! Wir werden uns nie wiedersehen. Addio!“
    Sie kehrte nach dem Schloß zurück und tat ganz dasselbe, was er auch getan hatte. Sie tat die Sandkörner in ein Kuvert, schrieb das Datum auf dasselbe und hob es dann in einem Fach ihres Schreibtisches auf.
    Sie war damit kaum fertig, so trat die Zofe ein und meldete Herrn Sandau, welcher die gnädige Baronesse zu sprechen wünsche. „Bitte eintreten!“
    Die Zofe gehorchte dem Befehl. Sandau nahm Zutritt, und sie machte hinter ihm die Tür zu.
    Es war ganz unmöglich, die Gesichter der beiden Erstaunten, welche sich abermals so unerwartet gegenüberstanden, zu beschreiben. Er vergaß ganz, sich zu verbeugen. Auf seinem Gesicht wechselten Blässe und Röte. Und sie stand ganz unbeweglich, das Auge mit stummer, verwunderter Sprache groß auf ihn gerichtet.
    „Was ist das?“ sagte sie. „Man hat mir Herrn Sandau gemeldet!“
    „Der bin ich“, antwortete er, die vergessene Verbeugung jetzt nachholend.
    „Aus – Eichenfeld?“
    „Ja.“
    „Aber, ich dachte, Sie sind Italiener!“
    „Ein kleines, leicht erklärliches Mißverständnis. Ich komme aus Italien.“
    „Ach! Also ein – Deutscher!“
    „Und Sie –?

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