68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
leise, um den wartenden Diener nicht hören zu lassen, was sie mit der Freundin spreche. „Ich muß dir nämlich ein Geständnis machen, liebe Asta.“
„Nun?“
„Als du mir gestern telegraphiertest, daß du heute kommen würdest, war die Dame gerade bei mir, und in meiner Freude über deine Ankunft lud ich sie ein, mich jetzt zu besuchen. Ich wollte sie dir vorstellen, da ich ja unmöglich wissen konnte, daß du in dieser Weise dagegen sein werdest. Nun ist sie da, und ich kann sie unmöglich wieder fortschicken.“
„Das ist mir höchst fatal. Du hättest mit dieser Einladung warten sollen, bis du wußtest, ob es mir angenehm sei oder nicht. Ich bin nun einmal auf solche Bekanntschaften nicht passioniert.“
„Aber dieses eine Mal wirst du es mir zuliebe über dich ergehen lassen, bitte!“
„Nun, nur höchst ungern, das sage ich dir allerdings. Wie wird es aber da mit dem Sänger?“
„Den können wir trotzdem empfangen.“
„In Gegenwart dieser – Bürgermeisterin?“
„Ja. Warum nicht?“
„Weil es, streng genommen, eine Beleidigung für ihn ist, wenn du ihn in Gegenwart einer so gewöhnlichen Person empfängst.“
„Das wohl kaum, denn er ist ja selbst bürgerlich.“
„Aber das Genie adelt ihn. Na, sie mag eintreten. Es ist aber ganz gewiß das erste und das letzte Mal, daß ich mit ihr spreche. Du darfst von mir nicht erwarten, daß ich große Herzlichkeit zu ihr zeige.“
Der Diener erhielt Befehl, die Bürgermeisterin hereinzulassen. Als die Dame hereintrat, begrüßte sie Milda wie eine liebgewordene Person. Das Mädchen zeigte eine nicht ganz verhehlte Befangenheit, gab sich aber Mühe, sich gegen sie ganz so zutraulich wie gewöhnlich zu verhalten.
Asta hingegen nahm ihren Gruß mit hochmütiger Herablassung hin und trat dann an den offenstehenden Flügel, um in den dort liegenden Noten herumzublättern.
Die Bürgermeisterin war nicht eine alte Frau. Sie konnte wenig über vierzig Jahre zählen. Man sah es ihr an, daß sie sehr schön gewesen sein mußte. Ihr Auftreten war bescheiden, aber selbstbewußt. Sie mußte es unbedingt sehen und fühlen, daß sie von Asta mit Geringschätzung behandelt werde, besaß aber eine zu gute und gediegene Bildung, als daß sie ihre Indignation darüber hätte zeigen mögen.
Sonderbar! Sie und Milda waren einander in Beziehung auf die Gesichtszüge nicht im mindesten ähnlich; hätte man aber den Hohenwalder Lehrer Max Walther zwischen beide gestellt, so wäre es eine Unmöglichkeit gewesen, nicht zu sehen, daß er sowohl mit Milda als auch mit dieser Frau eine frappante Ähnlichkeit besitze.
Die Schloßherrin teilte ihrem Besuch mit, daß sie eben jetzt im Begriff stehe, einen Herrn zu empfangen, welcher beabsichtige, sich als Sänger auszubilden. Sodann gab sie Befehl, Herrn Warschauer herbeizubitten.
Die Spannung der beiden Mädchen war eine ganz bedeutende. Da öffnete der Diener die Türe und meldete:
„Herr Professor Weinhold. Herr Warschauer!“
Die beiden traten ein und verbeugten sich. Die Blicke trafen sich. Anton war im Frack, weißer Krawatte und ebensolchen Glacehandschuhen. Er hatte keine Ahnung, daß er hier diese beiden Damen finden werde; dennoch aber verriet nicht ein Zug seines Gesichtes, daß er sie kenne oder gar über diese Begegnung überrascht sei.
Ganz anders Asta. Sie blickte ihn mit großen Augen an. Zunächst fragte sie sich, ob es möglich sei, daß der ‚Kerl‘ in so veränderter Gestalt jetzt vor ihr stehe, als sie aber seine Identität erkennen mußte, konnte sie einen Ruf der Bestürzung nicht unterdrücken.
„Also doch, Milda!“
Und sie, die sich nicht beherrschen konnte, wollte in Beziehung auf Umgangsformen seine Lehrerin sein!
Milda war ebenso betroffen wie ihre Freundin, wenigstens einen kurzen Moment lang; dann aber fühlte sie eine innere Freude darüber, daß es gerade so und nicht anders sei. Sie war nicht schadenfroh, aber sie sagte sich doch, daß Asta diese Niederlage mehr als voll verdient habe.
„Meine Damen“, stellte der Professor vor, „gestatten Sie mir, Ihnen meinen jungen Freund und Schüler, Herrn Warschauer, dringend zu empfehlen! Er ist ebenso wie ich in der Lage, Ihrer Freundlichkeit und Nachsicht zu bedürfen.“
Milda gab ihm und dann auch Anton die Hand und sagte zu dem letzteren:
„Sie sind mir herzlichst willkommen. Papa schreibt mir viel Liebes und Gutes von Ihnen, und es soll mich aufrichtig freuen, wenn ich Ihnen den schweren Weg, welchen Sie so mutig
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