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68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

Titel: 68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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jetzt hatte sie dieses Lied noch niemals singen gehört, und darum bäumte sich aller, aller Schmerz wieder empor, den sie seit langen, langen Jahren still im Herzen getragen hatte. Sie hatte zuweilen geglaubt und gehofft, ihn endlich, endlich besiegt zu haben; aber er regte sich von Zeit zu Zeit, um ihr zu zeigen, daß er noch immer vorhanden sei, und jetzt, heute abend, war er mit einer Gewalt losgebrochen, welche ihr Herz erzittern und ihre Seele erbeben machte. Sie konnte sich nicht beherrschen, sie konnte nicht länger hierbleiben. Mit riesiger Anstrengung drängte sie die Tränen nur für die wenigen Augenblicke zurück, welche sie brauchte, um sich zu verabschieden.
    Sie machte dem Professor eine höfliche und Asta eine sehr kalte Verbeugung, gab Milda die Hand und streckte sie dann auch Anton entgegen.
    „Herr Warschauer“, sagte sie mit leiser Stimme, denn wenn sie laut hätte sprechen wollen, so wäre sie in Schluchzen ausgebrochen, „ich danke Ihnen innigst für das Lied! Gott hat Ihnen in Ihrer Stimme eine Macht über die Menschenherzen gegeben, welche Ihnen und andern zum Segen, aber auch zum Verderben gereichen kann. Er gebe Ihnen nun auch das echte, wahre, treue Fühlen, ohne welche selbst die größte Kunst nur tot und leblos ist. Ich danke Ihnen nochmals! Gute Nacht!“
    Ganz ohne es zu wollen, hatte sie eine scharfe und äußerst treffende Kritik geführt. Ja, sein Gesang war ohne Gefühl, ohne wahre Empfindung. Ihm fehlte die Seele; er hatte sie mit der Leni von sich gestoßen. Welchen Eindruck hätten seine Lieder gemacht, wenn eine wahre, reine und treue Liebe in seinem Herzen gelebt hätte! Lenis Lieder wirkten ja gerade deshalb, weil sie eine unglückliche Liebe im Herzen trug, so wunderbar, so hinreißend. Anton mußte, um auf die Höhe seines Berufes zu gelangen, innerlich von neuem geboren werden.
    Die Bürgermeisterin ging. Kaum hatte sie die Tür hinter sich zugemacht, so brachen ihre Tränen von neuem aus. Es klangen ihr brausend und anklagend die Worte ins Ohr:
    „Man bringt dir keine Ständchen jetzt,
Du armes, armes Kind!“
    Sie wankte langsam den Schloßberg hinab, müd und immer müder werden und flüsterte wieder und immer wieder:
    „Mein Kind, mein Kind, mein armes Kind! Mein Max, mein armer, kleiner Max! Dir wurde an der Wiege bei Fackelschein gesungen, und nun – bringt man dir keine Ständchen mehr, du armes, armes Kind! O Gott, gib mir doch ein Zeichen, ob er tot ist, gestorben und verdorben in fremden, kalten Händen! Und lebt er noch, so laß mich ihn wiederfinden, damit ich gutmache, was an ihm gefehlt worden ist!“
    So betete sie inbrünstig und ging langsam weiter, weinend und die Hände ringend.
    Da trat ein Mann, der wartend am Rand des Weges gestanden hatte, an sie heran, blickte ihr in das Gesicht, um dasselbe bei der Dunkelheit des Abends zu erkennen, und sagte dann in frohem Ton:
    „Grüß Gott, Frau Bürgermeisterin! Ich hab hört, daß Sie auf dem Schloß waren, und hier auf Sie wartet seit fast einer Stunden.“
    „Sepp!“ rief sie. „Sepp, ist's wahr, bist du es? Soeben habe ich zu Gott wegen meines Kindes gebetet, und da trittst du zu mir heran. Ist das nicht, als ob mein Gebet Erhörung finden solle!“
    „Na, regen 'S sich halt nimmer auf, Frau Bürgermeisterin. Eine Botschaften bring ich schon; das ist wohl wahr.“
    „Eine Botschaft! O Gott, mein Gott, ich danke dir! Sepp, hast du ihn gefunden?“
    „Wen? Sie meine wohl denen Buben?“
    „Ja, wen soll ich denn sonst meinen!“
    „Na, sein 'S halt nicht gleich so hitzig! Wann ich sag, daß ich eine Botschaften bring, so denken 'S nachher gleich, daß alles aufifunden worden ist. So schnell gehen diese Sachen doch nicht.“
    „Aber eine Spur hast du vielleicht doch?“
    „Eine Spuren? Ja, die hab ich vielleicht entdeckt; aber es ist nur so eine ganz kleine, ein Gedank von einer Spuren, und da müssen wir halt erst sehen, ob's auch wohl die richtige ist.“
    „So erzähle! Sag, wo, wie und wann du diese Spur entdeckt hast.“
    „Wo, wie, wann? Also von dem Ort, von der Zeit und auch von dera Art und Weisen soll ich gleich in einem Atem berichten! Hören 'S mal, Frau Bürgermeisterin, das halt der Hunderste nicht aus! Und ich bin so ein alter Kerlen, bei dem's Hirn schon ein wengerl eintrocknet ist. Wann ich gleich so viel auf einmal sagen soll, so bleibt mir gleich dera halbe Verstand stehen und die andere Hälften läuft mir fort. Nachher sitz ich da und kann mich auf gar nix besinnen.

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