69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
ihn mit mir. Es wird dadurch die Untersuchung vereinfacht. Dieser Mensch ist ein so hartgesottener Sünder, wie ich noch keinen kennengelernt habe. Ich meine, daß es sehr schwer sein wird, ihn zum Geständnis zu bringen.“
„Ich wüßte ein Mittel.“
„So? Welches?“
„Der Schreck, das Entsetzen.“
„Das ist freilich ein Mittel, welches bereits so manchen Untersuchungsrichter und Polizisten zu Hilfe gekommen ist. Aber woher es nehmen?“
„Aus dem Zigeunergrab.“
„Wieso?“
„Er muß meine Amme sehen.“
„Brrr! Das Gerippe? Sei meinen, es auszugraben? Es würde nicht anders wirken als wie jedes andere Gerippe auch. Er weiß doch nicht, daß es das ihrige ist. Und selbst wenn er das wüßte, zweifle ich an dem Erfolg, ganz abgesehen davon, daß die Exhumierung einer Leiche eine Sache ist, welche nur unter gewissen Umständen und bedeutenden Formalitäten gestattet wird.“
„Hm! Von einem Gerippe ist keine Rede.“
„Wovon sonst?“
„Ich werde es Ihnen zeigen. Erlauben Sie mir einige Augenblicke!“
Er ging nach der Mühle und kam bald darauf mit zwei grauen Leinwandhosen und ebensolchen Jacken zurück. Diese Kleidungsstücke hatte er sich von den Knappen geliehen.
„Bitte, wollen Sie mich begleiten, Herr Assessor!“
„Sie haben sich ja ausgerüstet wie zu irgendeiner geheimnisvollen Partie!“
„Das wird es auch. Wir steigen in die Unterwelt.“
„Sie scherzen!“
„Nein. Ich will Ihnen jetzt noch nicht sagen, was ich Ihnen zeigen will. Ich möchte sehen, welchen Eindruck es auf einen macht, der dabei ganz unbeteiligt ist.“
Er führte ihn nach dem Zigeunergrab. Sie kamen an Ort und Stelle. Er deutete auf einen Busch und sagte: „Dieser Strauch war damals nicht so groß wie jetzt, aber auch ich war klein genug, mich dennoch hinter ihm zu verstecken. Da sah ich zu, als der Müller die Amme ermordete.“
„Herrgott! Ist's wahr?“
„Ja. Hier auf der Stelle, an welcher sie in die Erde gescharrt wurde, erwürgte er sie.“
„Ach! Nun wird mir einiges Dunkle klar! Er hatte freilich Veranlassung, sie unschädlich zu machen. Aber ist die Leiche nicht untersucht worden?“
„Nur ganz oberflächlich. Sie war ja eine Zigeunerin, eine Heidin.“
„Und Sie sagten nichts.“
„Ich war kaum einige Wochen über neun Jahre alt. Ich fürchtete mich entsetzlich vor dem Mörder und hütete mich wohl, ein Wort zu sagen.“
„Und so hat er keine Ahnung davon, daß Sie Zeuge dieser schaudervollen Tat gewesen sind?“
„Jetzt doch. Ich habe es ihm gesagt. Er wollte seine Tochter zwingen, den Fingerl-Franz zu heiraten, und ich wußte kein anderes Mittel, mich ihrer mit Erfolg anzunehmen, als daß ich ihm drohte, den Mord zur Anzeige zu bringen, falls er auf diese Heirat bestehe.“
„Und was tat er?“
„Die Verlobung unterblieb. Mich aber wollte er dann ermorden lassen.“
„Sind Sie des Teufels! Auch Sie ermorden! Und zwar ermorden lassen? Also durch einen andern! Durch wen?“
„Durch den Fingerl-Franz. Es ist ihm aber nicht gut bekommen.“
Und lachend erzählte er das Ereignis jenen Abends, an welchem der Fingerl-Franz so fürchterliche Prügel bekommen hatte.
Der Assessor aber blieb sehr ernst dabei.
„Anstiftung zum Mord seitens des Müllers und Mordversuch seitens des Fingerl-Franz!“ sagte er. „Ich werde den Franz auch festnehmen lassen.“
„Das liegt nicht in meiner Absicht, Herr Assessor.“
„Aber in der meinigen. Dieser Mensch ist ein gefährliches Subjekt; das hat er hier bewiesen. Sie haben seine Rache stets zu befürchten, und daß muß es ihm gezeigt und bewiesen werden, daß der Rachsüchtige seine schlimme Leidenschaft zu zügeln habe, wenn er nicht mit den Gesetzen in Konflikt geraten will. Aber wollen wir nicht unsern Gang antreten. Die Oberwelt nehmen wir später in Augenschein.“
„Ja, kommen Sie!“
Er führte ihn hinab, räumte die Steine weg und fand unter denselben die Holztür. Es war alles noch ganz genauso, wie er es verlassen hatte. Kein fremdes Auge hatte in das Geheimnis dringen können. Er öffnete die Tür und sagte:
„Hier hinunter müssen wir. Wir ziehen diese Hosen über, legen die Röcke ab und fahren dafür in die Jacken.“
„Ich bin begierig, was Sie mir zu zeigen haben“, sagte der Assessor, indem er die genannten Kleidungsstücke anlegte.
„Ahnen Sie es nicht?“
„Ich würde vermuten, daß Sie mir die Überreste der Amme zeigen wollen; aber das ist doch nicht möglich.“
„Warum?“
„Weil dieser
Weitere Kostenlose Bücher