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unterrichten beide.«
»Ach ja, stimmt. Also wart ihr beide allein?«
»Ich war der perfekte Gastgeber. Hab ihr ein Stück Baumkuchen und ein Glas Gerstentee angeboten.«
»Hör zu, du hast nicht ... äh, du hast nicht ...«
»Was?«
»Du hast nicht versucht, sie zu küssen, oder?«
»Sei kein Blödmann.«
»Hey, war nur Spaß. Nein, weißt du, als sie mich heute nach deiner Adresse gefragt hat, hab’ ich mir gedacht, dass sie zu dir gehen wollte. Sie war also wirklich da, hm? Was hat sie gesagt?«
Ich gab ihm keine Antwort. Ich war bedient, und außerdem hatte ich auch meinen Stolz. Wie sollte ich nur das Lady-Jane-Problem zur Sprache bringen? Ein Mann, der von seiner Geliebten betrogen worden ist, ist ziemlich im Nachteil.
»Worüber habt ihr geredet? Erzähl mir nicht, dass ihr zusammengesessen und getratscht habt.«
»Nein, eigentlich haben wir ... Hör zu, Adama, lass dich jetzt nicht davon unterkriegen.«
»Was?«
»Krieg jetzt keinen Schock.«
»Was meinst du damit?«
»Na, ist ja auch egal. Ich bring’ es sowieso nicht fertig, dir das zu erzählen.«
»Was? Nun sag schon.«
»Bevor ich dir das erzähle, beiße ich mir lieber die Zunge ab.«
»Hat es mit mir zu tun?«
»Natürlich hat es mit dir zu tun.«
»Ach, komm schon, Mann, sag es mir, bitte.«
»Versprichst du, dass du nicht ausflippst?«
»Spuck es aus.«
»Also, es sieht so aus, als hätte deine Mutter alles mit deinem Vater besprochen, und sie denken daran, dich von der Schule zu nehmen und dich arbeiten zu lassen. Du hast Verwandte in Okayama, nicht?«
»Ja.«
»Offensichtlich wollen sie, dass du da oben auf einer Obstplantage arbeitest. Nächste Woche steckst du bis zum Hals in Pfirsichen.«
»Was ist los, Mann? Du lässt nach.«
»Ach ja?«
»Außerdem war es immer deine einzige Stärke, ein brillanter Lügner zu sein.« »Vielen Dank auch.«
» War nur Spaß. Ach, übrigens ...« Adama gluckste. Leute mit kühlem Kopf glucksen nicht oft, und wenn sie es tun, dann ist es kein schönes Geräusch. »Matsui und Sato waren gestern bei mir zu Besuch.«
»Echt?!«, sagte ich und täuschte Überraschung vor.
»Sie sagten, sie seien auf dem Heimweg vom Schwimmen in Utanoura.«
Utanoura hieß der Strand gleich am Ende der Straße, die an Adamas Haus vorbeiführte.
»Ach ja?« Ich klang distanziert, gleichgültig.
»Aber ich sag’ dir, Mann, ich mag das gar nicht, wenn ich so was von den Hühnern kriege. Ich mag das echt nicht, weißt du.«
»Wovon redest du?«
»Von diesem Brief, den ich gekriegt habe.«
»Brief? Ein Liebesbrief?«
»Also ...«
»Ein Liebesbrief?«
»Also, ich schätze, so könnte man das nennen. Er ist in dieser altmodischen Sprache. Du weißt schon: ›Um meiner Bewunderung und meiner Achtung Ausdruck zu verleihen‹ und so weiter. Das ist nichts für mich, Mann. Da ist mir Rimbaud lieber.«
Vor meinen Augen verdüsterte sich die Welt.
»Ach ja, und Matsui hat mich gebeten, ihr deine Adresse zu geben, also habe ich es getan. Du hast doch nichts dagegen, oder?«
»Matsui ist mir so egal wie nur was. Solche Hühner, ich sag’s dir, Mann, die haben keinen Grips, keine Kultur, keinen Sinn für Dankbarkeit ...«
»Meinst du das ernst?«
»Klar, Mann. Ich meine, was ist das denn für eine Tussi? Ich gebe ihr Cheap Thrills, und sie schreibt mir nicht mal einen Dankesbrief. Schau dir meinen Vater an - er schreibt jedes Mal, wenn er ein Geschenk bekommen hat, einen Brief und bedankt sich.«
»Geschenk? Das war Ezakis Scheibe.«
»Zum Teufel mit ihr, jedenfalls.«
»Ich mag Matsui, Mann, sie hat Klasse. Ich wette, sie würde nie so einen altmodischen Scheiß schreiben wie Sato.«
»Was?«
»Sato hat einen großen Vorbau, aber Matsui ist viel cleverer.«
»Adama. Der Liebesbrief war von Sato?«
»Ja.«
Mir ging ein Licht auf. Zehntausend Watt.
»Matsui ist kein Mensch, Mann, sie ist ein Engel, sie hat menschliche Gestalt, aber sie ist ein Engel, den Gott mir geschickt hat.«
Nachdem er seiner Unfähigkeit, die Funktionsweise meines Gehirns zu verstehen, Ausdruck verliehen hatte, sagte Adama mir, ich solle mich beeilen und das Drehbuch fertig schreiben, und legte auf.
An diesem Abend wurde ein Strauß Rosen zu uns nach Hause geliefert.
»Sind die nicht hübsch?«, sagte meine Schwester und klatschte in die Hände. »Sind die für dich, Ken? Das ist ja wie im Film!« Ich hielt sie bei der Hand, und wir hüpften zusammen durchs Zimmer und sangen Mary Had a Little Lamb.
An dem Strauß hing
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