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7 Minuten Zu Spät

7 Minuten Zu Spät

Titel: 7 Minuten Zu Spät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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gekommen. Alice hatte sie immer gerne sprechen hören, ihr Akzent klang für sie wie exotischer Gesang. Simon sah außergewöhnlich gut aus mit seinem glatt rasierten, blassen Gesicht und den dichten braunen Haaren, und er verfügte über eine sinnliche Ausstrahlung, die er auch in der Ehe nicht unterdrücken konnte. Maggie bezeichnete sie schlicht als Untreue.
    Simon drehte sich zu Mike um, der wiederum Alice Hilfe suchend anblickte. Sie wünschte sich, Maggie wäre da – ihr wäre bestimmt etwas eingefallen, was sie den Kindern sagen konnten, ohne dabei ihre schlimmsten Befürchtungen zu äußern. Aber Maggie war schon zu Tim vorausgegangen, und Alice hatte keine Ahnung, was sie den Kindern sagen sollte.
    »Unter Umständen wird das kein sehr fröhlicher Besuch«, erklärte sie und blickte die drei ernst an. Drei skeptische Augenpaare erwiderten ihren Blick. Bisher hatten sie mit Austin immer Spaß gehabt.
    »Aber Mommy…«, setzte Nell an, doch Alice unterbrach sie.
    »Lass mich ausreden, ja?«
    Die Kinder nickten, also musste sie es ihnen jetzt erklären.
    »Ist euch in den letzten beiden Tagen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
    »Die Schule hat angefangen«, zirpte Peter, was ihm ein Kichern von Ethan und einen genervten Blick seiner Schwester eintrug.
    »Genau, die Schule hat angefangen. Was sonst noch?«
    »Ich weiß es«, sagte Nell, redete aber nicht weiter. Natürlich wusste sie es, schließlich hatten siebenjährige Mädchen große Ohren.
    »Tante Lauren ist seit zwei Tagen nicht mehr zu Hause gewesen«, sagte Alice, wobei sie sich bemühte, gelassen zu klingen. »Wir wissen nicht, wo sie ist. Ganz bestimmt geht es ihr gut, und sie hat sich wahrscheinlich nur verlaufen. Aber ich möchte nicht, dass ihr Tim oder Austin irgendwelche Fragen danach stellt, wo sie ist. Okay?«
    »Warum?«, fragte Peter.
    Alice warf Mike einen flehenden Blick zu, damit er auch einmal etwas sagte.
    »Na ja, es macht sie vielleicht nervös«, antwortete er.
    »Und wenn wir nicht mit ihnen darüber reden, denken sie vielleicht nicht mehr daran, und dann wird es heute Abend für sie ein bisschen lustiger. Habt ihr verstanden?«
    Lustig. So ein blödes Wort.
    Nell hob mit solcher Ernsthaftigkeit die Hand, dass Alices Herz vor Liebe überquoll.
    »Ja, mein Schatz?«
    »Was heißt vermisst, Mommy?«
    Ja, natürlich, Nell hatte die Suchmeldungen gesehen, die überall an Bäumen und Strommasten hingen.
    »Das ist die Frage«, erwiderte Alice. »Das wissen wir im Moment selbst nicht so genau.«
    »Darf ich jetzt klingeln?«, warf Peter ein.
    »Nein, ich!« Ethan drängelte sich neben ihn, aber sie waren beide noch zu klein, um an die Leiste mit den Klingelknöpfen heranzureichen.
    Simon machte dem Streit ein Ende, indem er auf die Klingel drückte. Die Kinder protestierten heftig, aber in dem Augenblick, als die Tür aufging, hatten sie es schon wieder vergessen, und jeder versuchte, als Erster hineinzukommen. Maggie stand in der offenen Wohnungstür, und als die Kinder an ihr vorbeigerannt waren, sagte sie leise zu den Erwachsenen:
    »Nur als Warnung: Dadrinnen sieht es gar nicht gut aus.«
    In der Wohnung war es unheimlich still, und auch von den Kindern war nichts zu hören, was bedeutete, dass sie mit Austin bereits vor dem Fernseher in Laurens und Tims Schlafzimmer saßen. Alice beschloss, dass sie bei einem Lokal, dessen Nummer sie auswendig wusste, chinesisches Essen bestellen würden. Sie würden diesen Abend gemeinsam überstehen, so gut es eben ging.
    Alice, Mike und Simon folgten Maggie ins Wohnzimmer, wo Tim zusammengesunken auf einem winzigen Stuhl an Austins kleinem Maltisch saß, der an den Fenstern zur Straße stand. Beide Fenster waren offen, und die weißen Vorhänge bauschten sich im warmen Wind. Alice konnte sich noch gut daran erinnern, wie Lauren den durchsichtigen Stoff ausgesucht und genäht hatte. Unter dem Maltisch lag Staub, was Lauren nie toleriert hätte.
    Tim saß da mit strähnigen, ungekämmten Haaren und sog an einer Zigarette. Alice hatte ihn noch nie rauchen sehen.
    Sie trat als Erste auf ihn zu, und nach und nach versammelten sich alle Freunde um ihn. Als die Asche seiner Zigarette zu lang wurde, ließ er sie in die offene Handfläche fallen, blieb jedoch unbeweglich sitzen, als würde er von einer unerträglichen Last niedergedrückt.
    »Die Polizei war hier«, sagte er schließlich. Seine Stimme klang dünn, erschöpft. »Die waren den ganzen Nachmittag hier. Warum bloß? Warum haben sie mir

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