7 Minuten Zu Spät
die Kinder und gehen, ja? Irgendwohin. Wir gehen einfach.«
Er nickte. Lange würden sie diesen Kampf nicht führen.
»Ich bringe die Kinder ins Bett«, sagte Mike.
»Ich komme mit«, erwiderte sie und schaltete das Licht aus. Pams Brownstone sah so prächtig und friedlich aus wie beim ersten Mal, als Alice es gesehen hatte. Das Garagentor war fest verschlossen. Der Anblick der gelben, duftenden Rosen im Vorgarten tat Alice im Herzen weh. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Pam versucht haben sollte, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sie waren doch erst vor zwei Tagen noch zusammen gewesen, und da hatte Pam so gewirkt, als ginge es ihr bestens.
Alice läutete an der Tür und wartete mit Jason auf der Treppe. Sie hatte ihn gebeten, ihr zu helfen, den schweren Suppentopf zu tragen, hatte dabei allerdings nicht erwähnt, dass Mike darauf bestand, dass sie keinen Schritt mehr allein ging, ehe der Limousinenfahrer nicht gefasst war.
Eine sehr alte Frau öffnete die Tür und blinzelte sie hinter dicken Brillengläsern, die ihre Augen unnatürlich vergrößerten, fragend an. Sie war so dünn, dass ihre Venen dick und bläulich durch die Haut schimmerten. Die Haare hatte sie wie in den fünfziger Jahren zu einer Bienenkorbfrisur hochgesteckt, und sie hatte dick blauen Lidschatten aufgetragen. Am besten aber war das psychedelische Marimekko-Kleid, das sie trug.
»Sie sind bestimmt Pams Mutter«, sagte Alice.
»Kenne ich Sie?«
»Ich bin Alice, eine Kundin von Pam, und das ist Jason.«
»Esther. Der Topf sieht schwer aus. Geben Sie her.«
Energisch nahm Esther Jason den Suppentopf aus der Hand und trug ihn in die Küche. Alice folgte ihr. Sie verstand jetzt, von wem Pam die Entschlossenheit geerbt hatte. Größe und Umfang allerdings nicht. Jason blieb in der Diele stehen und wartete auf Alice.
»Kennen Sie Pammies Mann, Ray?« Esther stellte Alice’ Eintopf zu einer kleinen Ansammlung anderer Töpfe und Schüsseln auf der Küchentheke. Ein winziger Mann mit rasiertem Schädel, der weite olivgrüne Shorts und ein schwarzes T-Shirt trug, saß auf einem Hocker an der mit Marmor belegten Kücheninsel.
Ihm gegenüber saßen Frannie und Giometti.
Es war ein Schock, die beiden Detectives in Pams Küche zu sehen. Was hatten sie hier zu suchen? Verblüfft blieb Alice auf der Schwelle stehen.
Als Ray sich zu ihr umdrehte, sagte sie: »Ich heiße Alice. Pam hat mir bei der Suche nach einem Haus geholfen. Ich war in der letzten Zeit häufig mit ihr zusammen, und ich war schockiert, als ich erfahren habe…«
»O ja, sie hat Sie erwähnt!« Rays Gesicht hellte sich auf, und er erklärte den beiden Polizisten: »Pam war ganz wild darauf, für diese Dame ein Haus zu finden. Sie hat niemals aufgegeben. Sehen Sie? Genau das meinte ich. Es ergibt einfach keinen Sinn, dass sie sich selber etwas angetan haben soll.«
Dann wandte er sich wieder an Alice, die immer noch unschlüssig in der Tür stand. »Das ist einfach nicht Pams Art«, sagte er. »Sie würde nie Selbstmord begehen.«
»Meinen Sie, jemand wollte sie ermorden?«, fragte Alice und verstand im gleichen Augenblick, warum Frannie und Giometti da waren. Sie waren von der Mordkommission, sie untersuchten keine Selbstmorde. Offensichtlich hatte jemand versucht, Pam umzubringen.
»Wie geht es Pam?«, fragte Alice.
»Sie liegt im Koma. Mein Baby liegt im Koma.« Er begann zu weinen.
Esther trat zu ihm und legte ihm ihren dünnen Arm um die Schultern. »Schscht, wir bekommen unser Baby schon wieder zurück. Du wirst sehen.«
Giometti trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf die Küchentheke. Frannie saß ganz still da und machte ein ernstes Gesicht. Ihr Blick ruhte auf Alice, und Alice kam sich auf einmal vor wie ein Eindringling. Sie kannte Pam kaum. Sie sollte jetzt lieber wieder gehen.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und sagte: »Ich würde Pam gerne besuchen, wenn sie wieder Besuch empfangen kann.«
»Sagen Sie mir Ihre Telefonnummer«, erwiderte Esther. »Ich habe ein hervorragendes Gedächtnis.«
Alice nannte ihr die Nummer, und Esther lauschte aufmerksam. Dann nickte sie und begann, die Töpfe und Schüsseln in den Kühlschrank zu räumen.
»Alles Gute«, sagte Alice zu Ray.
Ihm liefen immer noch die Tränen über die Wangen, aber er stand auf und nahm ein mit Alufolie bedecktes Tablett von der Küchentheke.
»Das sind Brownies«, sagte er. »Esther achtet auf ihre Figur, und ich darf so etwas wegen meines Herzens nicht essen. Pam hat
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