7 Minuten Zu Spät
Mags…«
»Hat deine Ärztin nicht gesagt, sie wären ungefährlich?«
»Das hat man von Thalidomid auch gesagt.« Das erste Mal seit Tagen verlieh Alice auch dieser Angst Ausdruck. Erschöpft rieb sie sich das Gesicht. »Du weißt doch noch, all die Contergan-Kinder.«
»Das ist Jahrzehnte her.« Maggie fuhr mit der Fingerspitze sanft über Alices Wange. »Denk an deinen Autounfall. Deine Schlaflosigkeit ist gefährlich. Du musst die Dinge ein bisschen abwägen.«
»Heute Abend nehme ich eine«, versprach Alice halbherzig.
»Ganz bestimmt.«
»Weißt du was?« Maggie stand auf. »Ich lade dich zum Lunch ein. Komm, hol deine Tasche. Draußen ist es so schön. Lass uns gehen.«
»Ich bin schon zum Lunch eingeladen«, versuchte Alice zu scherzen. »Mags, ich kann nicht weg. Frannie hat mir gesagt, ich soll zu Hause bleiben.«
»Auch gut. Dann wollen wir doch mal sehen, was ich dir hier auftischen kann.« Maggie stand auf und begann, die Schränke und den Kühlschrank zu durchsuchen. »Ich persönlich verstehe ja nicht, warum der Amerikaner an sich so auf Thunfisch versessen ist, aber in der Not…« Sie öffnete zwei Dosen Thunfisch, mischte Mayonnaise darunter, wusch Salat und toastete Brot.
»Maggie, ich muss dir etwas gestehen«, sagte Alice zu Maggies Rücken.
Maggie drehte sich kurz um. »Ja?«, erwiderte sie, dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
Alice erzählte ihr alles: von ihrem Besuch bei Frannie, von dem schreienden Baby, dem Mann, der sie verfolgte. Als sie fertig war, fühlte sie sich ungeheuer erleichtert. »Ich weiß nicht, warum ich nicht schon viel früher mit dir darüber gesprochen habe, Mags. Ich war wie zugeschnürt. Es tut mir Leid.«
»Ach, Quatsch«, erwiderte Maggie. Sie stellte zwei Teller mit Sandwiches auf den Tisch und eine Schüssel mit Karottenstäbchen. »So schlimm ist es auch wieder nicht. Aber wirklich, Alice. Du hast ein Baby schreien gehört? Und du wirst verfolgt? Na, du bist echt verschwiegen.«
»Eigentlich nicht«, sagte Alice. »Nur müde und hormonell belastet.«
»Ich finde, du hältst dich toll«, erwiderte Maggie. »Jedenfalls unter diesen Umständen.« Sie tätschelte Alices Hand.
»Wie meinst du das?«
»Das mit Lauren war auch für mich ein Albtraum. Ich schlafe auch schlecht und muss auch immer an die kleine Ivy denken. Aber, Alice, Liebes, du bist im sechsten Monat schwanger und lebst mit dem fiesen Vermieter von Lauren unter einem Dach. Ehrlich gesagt, an deiner Stelle würde ich sofort meine Koffer packen und irgendwo anders hinziehen.«
Alice wusste, dass Maggie Recht hatte – Mike sagte ja nichts anderes –, aber sie reagierte trotzdem defensiv. »Was meinst du, was wir die ganze Zeit versuchen?«, erwiderte sie, wobei ihr klar war, wie scharf das klang. »Ich bemühe mich, nicht zu hysterisch zu werden, aber anscheinend habe ich nicht viel Erfolg dabei.«
»Hör mal«, sagte Maggie und legte ihr Sandwich beiseite, »ich sage viele Dinge, die ich gar nicht so meine, aber lass dich davon nicht beirren, Liebes. Ich weiß, was du durchmachst. Die Freundschaft zwischen dir und Lauren war etwas ganz Besonderes, vermutlich weil ihr beide so amerikanisch ernsthaft wart. Aber jetzt bin ich für dich da. Ich mag dich sehr. Du bist meine beste Freundin, und wenn ich irgendetwas sage, womit ich dich verletze, dann Asche auf mein Haupt! Einverstanden?«
So offen war Maggie noch nie gewesen. Im Grunde hatte sie Recht. Sie mussten jetzt füreinander da sein. Sie aßen ihr Mittagessen und warteten gemeinsam darauf, dass das Telefon klingelte, dass Frannie oder Giometti anriefen und Alice erklärten, warum sie zu Hause bleiben sollte. Es beruhigte Alice immens, dass Maggie da war, und sie war dankbar, als Maggie ihr einen Kräutertee und für sich selbst einen starken Kaffee kochte und sie sich einfach nur unterhielten.
»Glaubst du, dass du mit Simon wieder zusammenkommst?«, fragte Alice.
Maggie grinste. »Als Liebhaber ist er viel besser. Warum sollte ich das mit häuslichem Alltag verderben?«
»Weiß Ethan Bescheid? Ist er dabei, wenn ihr zusammen seid?«
»Ist das nicht ulkig? Einer von uns beiden engagiert immer Sylvie, wenn wir uns abends treffen wollen. Wir wollen nicht zu viele Hoffnungen bei ihm schüren, der arme Schatz. Er würde mich dauernd damit quälen, dass wir wieder ins Haus zurückziehen sollen.«
»Maggie.« Alice beugte sich vor und senkte die Stimme. »Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass du dir Simons Untreue nur
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