7 Minuten Zu Spät
erwähnt, dass Sie Kinder haben. Wir hätten auch gerne welche gehabt, aber es hat leider nicht geklappt. Hier.« Er reichte Alice das Tablett. »Wenn ich die Brownies esse, bringt sie mich um. Mit Sicherheit!«
»Danke! Nell und Peter werden sich freuen.« Alice küsste Ray auf die Wange und wandte sich zum Gehen.
»Gehen Sie gleich nach Hause«, sagte Frannie. Verwundert drehte Alice sich um und blickte die junge Frau an.
»Aber ich muss den Laden aufmachen.«
Frannie beugte sich vor. »Lassen Sie sich von dem jungen Mann da draußen nach Hause bringen. Er kann den Laden allein aufmachen.«
»Warum?«, fragte Alice.
Frannie antwortete nicht, aber ihr angespannter Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.
KAPITEL 23
M örder in Carroll Gardens noch nicht gefasst
von Erin Brinkley.
Alice schlug das Herz bis zum Hals, als sie die Schlagzeile las. Sie war den ganzen Morgen über so beschäftigt gewesen, dass sie erst jetzt, nachdem sie von Ray nach Hause zurückgekehrt war, dazu kam, einen Blick in die Zeitung zu werfen.
Der Leitartikel war nicht lang, aber es gab noch eine Reihe anderer Berichte dazu, und sie machte sich daran, alle aufmerksam zu lesen.
Eine Immobilienmaklerin aus Brooklyn, die am Donnerstag von einem Nachbarn beinahe erstickt in ihrem Auto gefunden wurde, ist das Opfer eines Mordanschlags. Der mutmaßliche Mörder schoss Pam Short in den Hals und ließ sie dann bei laufendem Motor in ihrem Auto zurück, damit sie in ihrer Garage erstickte. Die .22er-Kugel, mit der Ms. Short getötet werden sollte, prallte aber an ihrem Kieferknochen ab und drang in eine Fetttasche seitlich an ihrem Hals ein.
Entsetzt las Alice den Artikel, der auch Bezug nahm auf die jüngsten Ereignisse in ihrer Umgebung.
Pam Short hatte anscheinend keine Feinde in der Gegend, in der sie seit über zwanzig Jahren lebt und arbeitet. Mit ihrem Mann, Ray Short, einem Antiquitätenhändler, ist sie seit siebzehn Jahren verheiratet.
Obwohl die Lage der Kugel auf eine selbst verursachte Verletzung hindeuten könnte, ist bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung versuchter Selbstmord ausgeschlossen worden, da man an Ms. Shorts Händen keine Schmauchspuren gefunden hat. Es gab auch keine Anzeichen von Blutspritzern oder Gewebepartikeln, die bei zehn Prozent aller Selbstmorde gefunden werden.
Die Polizei hat weiterhin festgestellt, dass der Schuss auf Ms. Short aus der gleichen Waffe abgegeben wurde, mit der vor zwei Wochen Lauren Barnet, ebenfalls aus Carroll Gardens, erschossen wurde. Ms. Barnet war im neunten Monat schwanger, und bis heute fehlt von ihrem ungeborenen Baby jede Spur.
Der Artikel setzte sich im Lokalteil fort, und dort wurden auch Christine Craddock und noch einmal Lauren erwähnt. Der Anblick von Laurens Foto wirkte auf Alice wie ein endgültiger Abschied. Sie konnte sich nicht überwinden, den dazugehörigen Artikel zu lesen, deshalb widmete sie sich zunächst Christine Craddock.
In ihrer Geschichte gab es neue Erkenntnisse, seit Erin Brinkley sich dafür interessiert hatte. Offensichtlich war die junge Reporterin hungrig, wie man in der Branche sagte, und ließ sich in ihrer Recherche durch nichts aufhalten. Sie hatte jemanden aufgetan, der am Morgen ihres Verschwindens mit Christine gesprochen hatte. Das musste eine ganz neue Information sein, denn Alice konnte sich nicht erinnern, davon etwas auf Christines Website oder in den früheren Artikeln gelesen zu haben. Offensichtlich war nicht der Mann, bei dem Christine im Deli eine kleine Flasche Wasser gekauft hatte, kurz bevor sie verschwand, der Letzte gewesen, der sie gesehen hatte, sondern Andre Capa, der in dem runden Haus am Gowanus-Kanal lebte.
Andre Capa – so hieß er also. Der Künstler, dessen Giftwasser sprühende Skulpturen die Passanten betrachteten und bewunderten. Der gelegentlich mit seiner Staffelei auf der Brücke saß und den Horizont malte. Andre Capa. Der letzte Mensch, der Lauren, acht Minuten vor ihrem Tod, lebend gesehen hatte. Und jetzt auch der letzte Mensch, der Christine Craddock gesehen hatte.
Andre Capa hatte auf der Carroll Street Bridge gestanden und Aufnahmen für seine damalige Brunnenskulptur gemacht – einen Engel aus Draht, der Kanalwasser aus dem Mund spritzte –, als er ungefähr zweihundertfünfzig Meter flussabwärts eine hochschwangere Frau auf der Union Street Bridge bemerkte. Er sah, dass sie offensichtlich Schmerzen hatte und sich nach vorne beugte, und statt den Engel weiter zu fotografieren, richtete er
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