7 Minuten Zu Spät
begann Alice einen neuen Versuch. Vielleicht konnte sie ihn ja damit aus der Reserve locken. »Ich war gestern bei Judy Gersten zu Hause.«
Sal hielt inne und warf Alice einen Blick zu. Das höfliche Lächeln war aus seinem Gesicht gewichen, und seine freundlichen blauen Augen wirkten auf einmal stahlgrau.
Im gleichen Moment wusste Alice, dass Judy nicht Sals Frau war. Sie war auch mehr als nur eine Freundin. Sie war seine Geliebte oder Teil von Metro oder beides.
»Sie war in schlechter Verfassung«, fuhr sie fort.
Trotz der Kälte im Raum brach ihr erneut der Schweiß aus.
»Sie war betrunken, und dabei war es noch ganz früh am Morgen. Die Zeitung lag aufgeschlagen da. Ich glaube, sie hat diesen langen Artikel in der Times gelesen.«
Sal legte das Messer weg.
»Gehen Sie da nicht mehr hin«, sagte er ruhig.
Alice nickte, aber dann fiel ihr ein, dass sie ja etwas sagen musste, damit man sie draußen im Van hörte. »Okay.«
»Ich rede mit Julius, machen Sie sich wegen der Kündigung keine Gedanken. Lassen Sie sich Zeit.«
Er ging zur Tür und entriegelte sie. Alice trat aus der eisigen Kälte in den Vorraum, durchquerte den Laden und war wieder in der Sommerhitze auf der Straße.
Sie ging auf direktem Weg zurück zur Union Street, zum 76. Revier. Der weiße Bäcker-Lieferwagen fuhr langsam an ihr vorbei. Dann bog er rechts ab, und sie sah ihn nicht mehr.
KAPITEL 31
M ike, Frannie, Giometti und Dana standen zusammen in der Lobby der Polizeiwache, als Alice hereinkam. Mike eilte sofort zu ihr. Seine Haare waren so zerzaust, dass sie ihm förmlich ansah, was für Sorgen er sich gemacht hatte. Er schob ihr eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn.
»Wie war es?«, fragte er.
Alice schüttelte sich. »Lass uns nie mehr Fleisch essen«, sagte sie.
Lächelnd legte Mike den Arm um sie und führte sie zu einem Stuhl, damit sie sich hinsetzen konnte. Frannie holte ihr eine Flasche Wasser aus dem Getränkeautomaten, und erst als sie sie mit drei Schlucken leer getrunken hatte, merkte sie, wie durstig sie gewesen war.
»Sie haben Ihre Sache gut gemacht«, sagte Frannie anerkennend.
Dana streichelte ihr über den Nacken. »Hervorragend.« Langsam entspannte sich Alice, aber immer noch brach ihr der Schweiß aus.
»Das ist die verspätete Reaktion auf den Stress«, erklärte Dana. »Kommen Sie, wir nehmen Ihnen die Kabel ab.«
Sie führten sie wieder in den kleinen Raum im Keller, wo der Techniker gerade die Geräte aus dem Lieferwagen in den Schrank räumte.
»Hast du alles, Eddie?«, fragte Frannie ihn.
»Ja. Alles da.«
»Wir können nichts im Wagen lassen.« Frannie verdrehte die Augen. »Noch nicht einmal auf unserem eigenen Parkplatz.«
»War es denn gut?«, fragte Alice.
»Ja, es war sehr gut.« Frannie wandte sich an Eddie.
»Okay, Kumpel, raus mit dir.«
Eddie verschwand, und die beiden Polizistinnen befreiten Alice von den Kabeln und dem Mikrophon.
»Wir haben erfahren«, sagte Frannie, »dass Garden Hill Realty involviert ist. In dem Moment, als Sie Judy Gersten erwähnt haben, wurde Cattaneo nervös. Warum, wissen wir nicht genau. Aber mein Gefühl sagt mir, dass die Verhältnisse auf dem hiesigen Immobilienmarkt nun gehörig durcheinander geraten werden.«
»Und jetzt?«, fragte Alice.
»Wir warten ab«, erwiderte Frannie.
»Soll das heißen, wir sollen einfach ganz normal weitermachen, obwohl von normal gar keine Rede sein kann?«
»Ich will damit nur sagen, dass Sie versuchen sollten, so alltäglich wie möglich weiterzuleben, und dann sehen wir mal.«
»Und wenn wir eine Zeit lang verreisen würden?«, fragte Mike. »Ich würde gerne mit Alice und den Kindern irgendwohin fliegen.«
In der Pause, die entstand, blickte Alice ihren Mann voller Mitgefühl an. Er hatte ihr gegenüber nichts davon erwähnt, aber sie konnte sich denken, dass er seinen Plan, nach Las Vegas zur Möbelmesse zu fahren, aufgegeben hatte. Jeden Tag mussten sie im Augenblick neue Prioritäten setzen, und ihr war klar, dass er »weit weg« meinte, wenn er von »irgendwohin verreisen«
sprach. Er würde sicher in ein ganz anderes Land wollen.
»Uns wäre es lieber, Sie blieben hier.« Frannie setzte sich an den Tisch. »Es könnte für die Ermittlungen wichtig sein.«
»Warum?« An Mikes Hals pochte eine Vene. »Damit dieser Irre meine Frau abschlachten kann? Damit Sie ihn auf frischer Tat ertappen können, wenn es für uns zu spät ist?«
Frannie seufzte tief und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Sie
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