7 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 2te Folge
Mit der Hohepriesterin selbst. Die Sache ist schon in Ordnung, Skelder. Dieses Volk hat nicht die gleiche schmutzige Einstellung zum Sex wie Sie. Sex ist keine Sünde, sondern eine Art Geschenk, ein Sakrament der Göttin. Sie, Skelder, denken an sich wälzende Leiber im Sündenpfuhl. Das Volk hingegen huldigt der Göttin mit völlig keuschen Gefühlen. Ich bin der Meinung, daß weder Sie noch die Kareenianer recht haben. Sex ist nichts anderes als eine Triebkraft, die man zu seinen Gunsten einkalkulieren muß. Aber ich gebe zu, daß mir die Auffassung der Kareenianer mehr Spaß macht als die Ihre.«
Skelder gab seiner Stimme einen leicht gelangweilten und ungeduldigen Klang, als spräche er mit einem nicht allzu klugen Schüler, der absolut nicht begreifen wollte. Wenn er wütend war, so gelang es ihm ausgezeichnet, das zu verbergen.
»Sie verstehen unsere Lehre falsch. Sex ist keine sündhafte Kraft an sich. Schließlich ist sie das von Gott geschaffene Medium zur Erhaltung der höheren Lebensformen. Sex in Tieren ist so unschuldig wie ein Trunk klaren Wassers. Und in dem heiligen Vorgang der Zeugung sollen Mann und Frau diese Kraft benützen, sollen durch ihren geheiligten sanften Zwang sich vereinen und der Ekstase näherkommen, die das Verstehen und vielleicht sogar das Wesen von …«
»… dem Allmächtigen näherbringen. Ach, verschonen Sie mich damit. Ihre Kirchengemeinde tut mir leid, sobald Sie die Kanzel besteigen, und ich möchte nicht hören, wie viele unterdrückte Seufzer der Langeweile während der Predigt ausgestoßen werden. Auf alle Fälle gebe ich keinen Pfifferling für die Lehre der Kirche. Sie selbst zeigen ziemlich deutlich, daß Sie Sex für ein schmutziges Geschäft halten, selbst wenn Sie ihn in den Grenzen der Zeugung zugestehen müssen. Sex ist ekelerregend, und je eher das notwendige Übel vorbei ist, desto besser.
Aber ich bin ganz vom Thema abgekommen. Für die Kareenianer also bedeutet dieser religiös-sexuelle Ausbruch eine Dankbarkeitsbezeugung gegenüber ihrem Schöpfer – oder besser ihrer Schöpferin – für das Leben und die Freuden des Lebens. Normalerweise benehmen sie sich ganz und gar spießig …«
»Hören Sie, Carmody, Sie brauchen mich nicht zu belehren. Schließlich weiß ich als Anthropologe ziemlich genau, was für einem perversen Irrtum sich diese Eingeborenen hingeben, und …«
»Warum sind Sie dann nicht selbst gekommen und haben sie studiert?« Carmody grinste immer noch. »Das wäre Ihre Pflicht als Anthropologe. Warum schicken Sie mich? Hatten Sie Angst, Sie könnten sich vom bloßen Zusehen vergiften? Oder fürchteten Sie, daß Ihnen die Religion gefallen könnte?«
»Lassen wir das«, meinte Skelder ruhig. »Ich habe keine Lust, mir die Verderbtheit in allen Einzelheiten schildern zu lassen. Mich interessiert lediglich, ob Sie etwas herausgefunden haben, was unserer Mission dienen könnte.«
»Habe ich, Paterchen.« Carmody lächelte, als er das Wort Mission hörte. »Die Priesterin meinte, daß die Göttin nur als Kraft in den Gläubigen erscheint. Aber sie behauptet wie auch viele Laien, mit denen ich sprach, daß ihr Sohn Yess fleischlich existiert, daß man ihn gesehen und sogar mit ihm gesprochen habe. Er wird während des Schlafes in der Stadt sein. Es heißt, daß er hierherkommt, weil er hier geboren wurde und gestorben ist und hier wiederauferstand.«
»Ich weiß«, sagte der Mönch erbittert. »Nun, wir werden sehen, was dieser Betrüger zu sagen hat, wenn er uns gegenübersteht. Ralloux arbeitet gerade an unseren Aufzeichnungsgeräten, damit sie rechtzeitig fertig sind.«
»O. K.«, meinte Carmody gleichgültig. »Ich bin in einer halben Stunde zu Hause, falls mir nicht unterwegs irgendein rassiges Weib in den Weg läuft. Aber das ist zweifelhaft – die Stadt ist wie tot.«
Er hing den Hörer ein und lächelte im stillen über das jetzt sicherlich indignierte Gesicht des Mönchs. Skelder würde vielleicht eine halbe Minute lang mit geschlossenen Augen dastehen, die Lippen in schweigendem Gebet für die verlorene Seele des John Carmody bewegt. Dann würde er herumwirbeln, daß sein schwarzer Habit raschelte, die Treppen hinauf eilen und Ralloux Bescheid geben. Ralloux, in der kaffeebraunen Robe des Ordens von St. Jairus, würde an seiner Pfeife saugen, die Arbeit an den Aufnahmegeräten unterbrechen und ohne Kommentar zuhören. Sein Gesicht würde weder Verachtung noch ein amüsiertes Lächeln für Carmodys Verhalten zeigen.
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