7 Werwolfstories
auf Helma ruhen.
Sie bot einen erfreulichen Anblick; ein Mädchen mit honigblondem Haar, schlank, zart, aber muskulös gebaut, mit mattweißer Haut und dunkelgrauen Augen, die sich bernsteinfarben oder zu einem wunderlichen, goldgefleckten Grün aufhellten, wenn sie zornig oder aufgeregt war, und so geschmeidig und graziös, daß er sich oft fragte, ob sie früher einmal Tänzerin gewesen war. Er wußte nicht viel über ihre Vergangenheit; sie sprach niemals über ihre Kindheit, und er wußte nur, daß sie mit vierzehn Jahren von einem Bauernhof in den Adirondacks weggelaufen war.
Als sie sich zufällig im Schwimmbad in Albany trafen – er hatte sie angesprochen –, war sie dreiundzwanzig Jahre alt. Roger, der zwei Neffen zum Schwimmen mitgenommen hatte, war von der Grazie, mit der sie sich im Wasser bewegte, zuerst angezogen, dann entzückt. Sie schwamm so anmutig und schnell, wie es eine der Seejungfern, von denen die alten Sagen berichten, nicht besser gekonnt hätte.
Er war verdutzt über die Veränderung, die mit ihr vorgegangen war, als sie in einem billigen Rock und ebensolcher Bluse und mit glattgebürstetem Haar aus dem Umkleideraum zurückkam; ihre Füße steckten in schlotternden Söckchen und groben Schuhen. Es war, als ob eine schimmernde Münze sich plötzlich mit Rost überzogen hätte. Aber die lachende, strahlende Wassernymphe stand immer vor seinen Augen.
Er konnte sie nicht vergessen. Es dauerte nicht lange, da hatte er entdeckt, daß sie im Wald, in der freien Natur, wieder zum Leben erwachte. Nach ihrer Hochzeit hatte er das kleine Haus am Waldrand gebaut, das kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit war. denn in einer Stadtwohnung welkte Helma dahin. Sie hatten das Haus mit ihren eigenen Händen gebaut, lebten während dieser Zeit im Wald und schliefen in einem Zelt. Helma wurde immer strahlender, bis sie von leuchtender Schönheit erfüllt schien. Und in der ersten Nacht, die sie im fertigen Haus verbrachten, hatte sie gemurmelt: »Ich glaube, mir gefiel es im Zelt besser!« Selbst jetzt schlief sie lieber auf der offenen Terrasse, wann immer sie es einrichten konnte.
Er lächelte jetzt in ihre halbgeschlossenen Augen und sagte, wie schon oft: »Ich glaube, du bist zur Hälfte eine Wildkatze, Helma.«
»O ja, das bin ich«, antwortete sie wie gewöhnlich, »ich bin es wirklich. Wußtest du das nicht?«
»Ich hatte mal einen Hund, der fing auch immer zu heulen an, wenn ich Klavier spielte. Das ist nicht gerade ein Kompliment für mich.«
Sie errötete. Selbst nach vierjähriger Ehe konnte sie noch empfindlich sein. »Ich kann nichts dafür«, flüsterte sie zum hundertstenmal, »es tut meinen Ohren so weh …«
Er klopfte ihr sanft auf die Schulter. »Mach dir nichts daraus, Liebling. Ich werde darauf achten, daß ich nicht spiele, wenn du in der Nähe bist. Aber ernsthaft, ich fange an, mir Sorgen zu machen, ob du dich so weit allein in den Wald wagen solltest. Bob Connor erzählte mir, daß er Wolfsgeheul gehört habe, und neulich erlegte er einen Luchs. Bei Tag ist ja kaum etwas dagegen einzuwenden, aber ich wünschte, du würdest nachts nicht in den Wald gehen, Helma.«
Er war nicht an das Landleben gewöhnt. In der Stadt geboren und aufgewachsen, war er in Panik geraten, als er zum erstenmal nachts aufwachte und sich allein fand. Er hatte das ganze Haus durchsucht, aber es war leer; mit wachsender Sorge, die sich zu entsetzlicher Angst steigerte, hatte er mit einer Laterne in der Hand den Wald durchgekämmt; immer wieder voller Furcht rufend, hatte er Helma endlich gefunden. Sie lag schlafend in einer grasbewachsenen Mulde, und als er näher kam, sprang ein Hase von ihrer Seite weg.
Nach einigen Monaten hatte er sich an Helmas Eigenarten
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