7 Werwolfstories
durch die Glasscheibe der Tür und machte ihm auf.
»Mami, Mr. Lassiter ist hier!«
Mrs. Connors freundliches Pferdegesicht erschien über dem Kopf des Kindes. »Roger, kommen Sie herein! Was ist geschehen?«
»Ist Helma hier?« fragte er schnell.
»Helma? Nein, Roger. Ich habe Sie erst vorbeifahren sehen und dachte, daß es vielleicht soweit sei und Sie Ihre Frau ins Krankenhaus bringen.«
»Sie ist weg«, sagte Roger wie in Trance, »sie ist weg. Ich bin nach Albany gefahren, um ein Pfund Kaffee zu holen, und sie sagte, sie sei zu müde zum Mitkommen. Und als ich wieder nach Hause kam, war sie weg. Wo ist Bob?«
»Er ist auf die Luchsjagd gegangen, weil Vollmond ist und die großen Katzen dann die ganze Nacht herumstreifen – o mein Gott, Roger!« Neil Connors freundliches Gesicht wurde leichenblaß. »Wenn Helma im Wald ist!« Mit einem Seitenblick auf die Kinder dämpfte sie ihre Stimme. »Voriges Jahr sagte Bob, daß sie manchmal in den Wald liefe, und er sagte, er habe Angst, auf die Jagd zu gehen. Aber er dachte, daß sie diesen Winter, weil doch das Baby unterwegs ist, zu Hause bleiben würde.« Während sie sprach, langte sie nach einem dicken Mantel, der hinter dem Ofen hing.
»Molly«, sagte sie zu dem ältesten Mädchen, »du bringst jetzt Kenneth und Edna ins Bett. Mrs. Lassiter hat sich im Wald verirrt, und ich helfe Mr. Lassiter bei der Suche. Donny, du nimmst eine Laterne und kommst mit. Und, Molly, wenn die Kinder im Bett sind, kochst du eine große Kanne Kaffee, legst Wärmeflaschen in mein Bett und setzt beide Teekessel aufs Feuer.« Sie sagte leise: »Helma ist ziemlich nervös, und wenn es losgegangen ist, war sie vielleicht zu Tode erschrocken und ist einfach losgerannt und hat sich auf dem Weg hierher verlaufen, das arme Ding. Wenn es so ist und das Baby heute kommt, bringen wir sie zu uns. Ich habe fünf Kinder auf die Welt gebracht und weiß, was zu tun ist.«
»Sie sind zu gütig …«, stammelte Roger.
»Ach, Unsinn, wozu hat man denn Nachbarn? Helma würde sich genauso um mich Sorgen machen, wenn ich plötzlich verschwunden wäre.« Sie winkte ihren ältesten Sohn heran und nahm ihm die Laterne ab.
»Wir gehen den Pfad entlang, Donny. Du nimmst die Taschenlampe und gehst zur Weide hinter der Scheune. Dabei rufst du ständig nach deinem Vater. Und wenn du Mrs. Lassiter finden solltest, dann brüllst du wie verrückt, bis wir dich gehört haben, und dann holst du Molly, damit sie dir hilft, Mrs. Lassiter ins Haus zu bringen. So, und jetzt verschwinde.«
Niemals konnte Roger sich später klar an die jetzt folgenden Stunden erinnern, außer daß er durch die mondhelle Nacht gestapft war, die Laterne in der Hand, und daß Neil Connors feste und zuversichtliche Stimme allmählich immer müder und ängstlicher klang. Sie schrien »Helma! Hel-ma!«, bis ihnen die Lippen von der Kälte aufsprangen und ihre Kehlen heiser wurden.
Immer wieder blieben sie stehen, um zu lauschen, und Mrs. Connor sagte stockend: »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Helma in ihrem Zustand so weit laufen konnte!« Sie erzitterten, wenn sie die Stimmen von Tieren hörten, und einmal geschah es, daß Neil Connor – die beherrschte Neil mit den eisernen Nerven, die ihr ganzes Leben auf einem Bauernhof verbracht hatte und jetzt fünfzig Jahre alt war – laut aufschrie, als sie auf einem Ast einen Kopf mit grünen Augen und flach angelegten Ohren entdeckte, der auf sie herniederblinzelte.
Aber noch schlimmer war es, wenn sie aus der Ferne das Krachen eines Gewehrs hörten und wußten, daß Bob Connor den Schuß abgegeben hatte. Vor Rogers brennenden Augen stand das Bild von Helma, wie sie reglos und steif irgendwo neben dem Pfad lag, versehentlich erschossen, oder wie sie sich irgendwo in den Geburtswehen wand, unfähig, zu ihnen zu kommen, zu weit weg,
Weitere Kostenlose Bücher