7 Werwolfstories
Drohung zu vollenden. Für Helma war es schon schlimm genug, in einem festen Haus leben zu müssen. In einer Anstalt würde sie sicher an akuter Klaustrophobie sterben.
Aber die Drohungen, die er bereits ausgesprochen hatte, genügten schon, um Helma seinen Wünschen gefügig zu machen. Sie ging zum Arzt, wie er es verlangt hatte, und reagierte ganz normal, als dieser ihr versicherte, sie würde höchstwahrscheinlich Zwillinge bekommen. Als der Winter hereinbrach, zog eine glückliche, friedvolle Stimmung im Haus ein, wie sie nur eine werdende Mutter um sich zu verbreiten versteht.
Doch wie in allen anderen Dingen, benahm sich Helma auch in dieser Situation fast tierhaft. Roger hatte noch nie eine Frau gesehen, die ihre Schwangerschaft als etwas so Selbstverständliches hinnahm und sich bester Gesundheit erfreute. Die Frauen seiner Freunde pflegten reizbar, unförmig und unansehnlich zu werden und sich in allen möglichen Launen und Klagen zu ergehen, und zum erstenmal fiel sein Vergleich zu Helmas Gunsten aus.
Es war ein ruhiger Winter. Zwar gab es viel Schnee, doch die Straßen waren frei, und Roger konnte jeden Tag zur Arbeit und wieder zurückfahren. Falls Helma am Tag im Wald spazierenging, wußte Roger nichts davon, und nie mehr verließ sie das Haus bei Nacht. Es war grausam kalt. Ab und zu konnte man vom Fenster aus sehen, wie ein Tier, dem die Kälte alle Scheu genommen hatte, bis an die Gartentür kam. Nachts tönte das Geheul von Wölfen durch die Dunkelheit oder auch das giftige Fauchen eines Luchses. Roger runzelte die Stirn und sprach davon, daß er sich ein Gewehr anschaffen wollte, aber Helma protestierte. »Wölfe sind feige. Sie greifen niemals etwas an, das größer ist als ein Hase. Und ein Luchs kümmert sich um niemanden, wenn man ihm nicht direkt in die Quere kommt.«
Im Februar erlegte Bob Connor kaum einen Kilometer vom Haus der Lassiters entfernt einen Luchs und schleppte ihn heran. Er klopfte so lange an die Tür, bis sie herauskamen, um die Beute zu betrachten.
»Dieses Riesenexemplar habe ich bei den Steinen in Ihrem Bach erwischt, Roger. Ich habe meinen Kindern verboten, den Hof zu verlassen, und wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich nachts nicht im Wald herumspazieren und es auch Ihrer Frau untersagen. Wir haben diesen Winter eine wahre Luchsplage«, fuhr er fort und ließ den steifgefrorenen Kadaver auf die Türstufe fallen. »Diese Viecher können recht gefährlich werden – mein Gott, Helma, was ist Ihnen … Roger – passen Sie auf!« warnte er gerade noch rechtzeitig, so daß Roger Helma auffangen konnte, als sie ohnmächtig zusammenbrach.
Nachdem sie im Schlafzimmer wieder zu sich gekommen war und sich mit zittriger Stimme für ihren albernen Schwächeanfall entschuldigt hatte, begann Bob, als er von ihr nicht mehr gehört werden konnte, sich schwere Vorwürfe zu machen.
»Es tut mir leid, Roger. Wahrscheinlich ist es das Blut gewesen. Helma haßt den Anblick von toten Tieren. Und ich weiß ja, daß sie ein Baby erwartet; ich hätte mehr Verstand haben sollen, als mit einer toten Wildkatze hier aufzukreu zen.«
»Ich glaube nicht, daß es das war«, sagte Roger verwirrt. »Helma ist noch nie schlecht geworden beim Anblick von Blut.«
»Na, sie ist ja ein bißchen komisch bei allem, was wilde Tiere betrifft, nicht wahr?« sagte er mit diskret gedämpfter Stimme, und Roger gab das zu. Er sah Bob nach, als er weggegangen war, und eine leise Verzweiflung überfiel ihn, weil er wußte, daß Bob Connor ganz sicher das Seine zu dem schon weitverbreiteten Gerede über Helma Lassiters ›WunderIichkeit‹ beitragen würde.
Aber er brachte es nicht übers Herz, Helma zu tadeln oder auszufragen, oder Bob Connors Abschiedsworte zu
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