7 Werwolfstories
wiederholen, die dieser mit taktvoll gesenkter Stimme gesagt hatte: »Ich würde sie nicht mehr in dieser Richtung im Wald herumlaufen lassen, Roger. Ich gehe oft auf die Jagd nach diesen Katzen und nach Wölfen – für Wölfe gibt’s Prämien, wissen Sie. Ich passe ja immer auf und möchte um alles in der Welt nicht versehentlich jemanden anschießen.«
Danach wurde Helma noch ruhiger, noch in sich gekehrter, und hatte nicht einmal mehr Lust, am hellen Tag durch den Wald zu streifen. Roger war darüber etwas bestürzt und versuchte nun, sie unter allen möglichen Vorwänden in den Garten oder wenigstens vor die Tür zu locken, damit sie ab und zu aus dem Haus kam; den größten Teil des Tages verschlief sie, aber nachts erhob sie sich und wanderte fast lautlos durch das Haus.
Als Roger sie besorgt fragte, gab sie eine ausweichende Antwort: Sie fühle sich zu müde für weite Spaziergänge, und bei Nacht pflege sich das Baby so heftig zu bewegen, daß sie nicht schlafen könne. Ihr Körper war jetzt schwer geworden, und ihr Gesicht hatte sich gerundet, was ihr zusammen mit den breiten Backenknochen unter den dichten, geraden blonden Augenbrauen einen seltsam animalisch anmutenden und rätselhaften Ausdruck verlieh. Sie sprach wenig, und abgesehen von ihrer Schlaflosigkeit schien sie ausgeglichen und zufrieden zu sein. Roger nahm an, daß Helma sich bewußt ihre wilden Neigungen abgewöhnen wollte und daß sie schweigend unter ihrer ausgeprägten Klaustrophobie litt, denn manchmal, wenn sie sich unbeobachtet wähnte, blickten ihre grünen Augen merkwürdig verstört. Roger kannte den starken Willen seiner jungen Frau und glaubte, daß sie sich schonungslos in die Zucht genommen habe.
Im März kamen stürmische Winde und ein Schneesturm, der mit apokalyptischer Heftigkeit von den Adirondacks heruntertobte, so daß die Lassiters tagelang im Haus eingeschlossen waren. Dann setzte über Nacht die Schneeschmelze ein. Die Kraft des Winters war gebrochen, unter dem kühlen Regen traten die Bäche über ihre Ufer, und zwischen dem nassen, toten Braun des Grases erschienen feuchtgrüne Tupfer. Auf den frisch gepflügten Äckern lärmten Krähen und Eichelhäher, und von den Bäumen am Waldrand tönte Gezwitscher. In der feuchten Abenddämmerung schleppte Helma bisweilen ihren unförmigen Körper bis zur hinteren Gartentür und lehnte sich darüber, mit einem solch brennenden Verlangen in ihrem Gesicht, daß Rogers Herz sich vor Mitleid zusammenzog, wenn er sehen mußte, wie dieses Naturkind an den Fesseln zerrte, die seine Liebe ihr auferlegt hatte. Die Gartentür war nicht verschlossen, aber nie kamen Helmas Finger in die Nähe der Türklinke. Roger konnte das nur recht sein, denn in den milden Nächten hörten sie oft das Knurren und Fauchen der großen Wildkatzen, und er wußte, daß jetzt im Frühling die Weibchen ihre Jungen verteidigten. Und jedesmal, wenn er diese Laute hörte, fragte Roger sich, ob Helma ihr Kind mit gleicher Wildheit beschützen würde.
Als sie eines Abends gegen Ende März beim Essen saßen, sagte Helma ruhig: »Bitte fahre nach Albany und besorge Kaffee, Roger. Ich habe den letzten heute früh verbraucht, und wir haben für morgen keinen mehr.«
Wie es bei vielen nachgiebigen und bequemen Männern der Fall ist, konnte Roger bei Kleinigkeiten außer sich geraten, und so schalt er Helma mit aller Strenge aus. Warum hatte sie ihm das nicht schon beim Frühstück gesagt? In ihrem verschlossenen, vollen Gesicht regte sich nichts. »Du solltest gleich fahren, sonst sind die Geschäfte zu, bis du hinkommst.«
Sie ging unruhig im Zimmer hin und her, nahm hier und dort einen Gegenstand zur Hand, betrachtete ihn sorgfältig, wobei
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