7 Werwolfstories
gewonnen hatte. Bald würde die Verwandlung abgeschlossen sein. Das schwarze Blut würde erhalten bleiben.
Vor seinen Augen tanzten rote Kreise. Er sah, wie Tanja wieder den Revolver hob, aber er achtete nicht darauf. Die Kellertür stand offen, und er konnte auf die Treppe hinausblicken. Er war ganz sicher, daß sich dort eben ein Schatten bewegt hatte.
Er spürte die fünfte Kugel kaum, als sie ihn traf.
»Komm nur. Komm herein und töte sie!« brüllte er ekstatisch.
Doch der Schatten, den er gesehen hatte, war nicht sein Sohn. Es war Angela.
Das Verhängnis nahm seinen Lauf.
Angela hätte gar nicht gemerkt, daß sie ihr Sparbuch im Hause Totzky zurückgelassen hatte, wenn Umberto sie nicht damit geneckt hätte, daß sie in dem knappen halben Jahr gar nicht so viel gespart haben konnte. Sie wollte ihm beweisen, daß sie nicht gelogen hatte – und im selben Augenblick fiel ihr ein, daß sie das Sparbuch in dem Versteck in der Kommode gelassen haben mußte.
»Ich muß sofort zurück«, hatte sie gesagt. Umberto, der sich vorgestellt hatte, daß sie die Wartezeit bis zu Angelas Abfahrt kurzweiliger gestalten würden, schloß sich ihr mißmutig an. Aber nach einem Blick auf die Uhr räumte er sich die Chance ein, daß Angela zu spät zu ihrem Zug kommen könnte und die Nacht über bei ihm bleiben müßte. Denn der nächste Zug ging erst wieder am anderen Morgen. So war er guter Dinge, als sie den gewundenen Pfad zum Anwesen der Totzkys hinaufgingen.
Schon von weitem sahen sie, daß Licht aus einigen Fenstern fiel. Angela trug Umberto auf, in der Nähe des Hauses auf sie zu warten, denn sie wollte nicht, daß Tanja sie in seiner Begleitung sah und Grund für ätzende Bemerkungen gehabt hätte.
Als Angela die Eingangstür erreichte, griff sie nach der Klingel, weil sie wußte, daß Tanja immer absperrte, wenn sie alleine mit Arno im Hause war. Aber dann versuchte sie doch die Klinke niederzudrücken, die tatsächlich nachgab. Schnell schlüpfte sie in die Diele und drückte die Tür mit dem Rücken ins Schloß.
Ich benehme mich wie ein Einschleichdieb, dachte sie, wenn sie mich sieht, wird sie mich womöglich zur Anzeige bringen!
Angela fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Da sie sich jedoch schon eingeschlichen hatte, wollte sie auch weiterhin unbemerkt bleiben. Sie wollte nicht noch einmal mit Tanja zusammentreffen. Vielleicht gelang es ihr, das Sparbuch zu holen und wieder ungesehen das Haus zu verlassen. Als sie zur Treppe kam, faßte sie neuen Mut, denn sie bemerkte, daß dumpfe Geräusche aus dem zweiten Keller drangen. Demnach befand sich die Herrin des Hauses im Keller und würde dort hoffentlich lange genug bleiben.
Angela huschte schnell die Treppe zum Obergeschoß hinauf und von dort die paar Stufen zu ihrem Mansardenzimmer. Sie erreichte keuchend den kleinen Raum, der früher ihre Wohnstätte gewesen war und nun, nachdem sie all ihre persönliche Habe fortgeschafft hatte, kahl und tot wirkte.
Angela machte kein Licht, weil der Mondschein durch das breite Fenster fiel. Sie durchstöberte alle Laden der Kommode, fand das Sparbuch aber nicht. Sie war nervös und dachte, daß sie es vielleicht übersehen hatte, deshalb durchsuchte sie alle Laden noch einmal. Das Sparbuch war nicht zu finden. Sie war den Tränen nahe, als sie sich verzweifelt dem Kasten zuwandte und auch ihn durchsuchte. Vergeblich. Ihre einzige Hoffnung war nun der Schreibtisch. Als sie die Lade herauszog, entdeckte sie, daß sie auch ihr Briefpapier mit dem eingedruckten Monogramm vergessen hatte. Und zwischen den Kuverts fand sie das Sparbuch. Sie ließ es dort, klappte die Briefpapiermappe zusammen, klemmte sie sich unter den Arm, wollte den Raum verlassen und – erstarrte vor Schreck.
Die Tür von
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