7 Werwolfstories
Gepolter ging aber in einem anderen Geräusch unter.
Aus der Ecke, wo Arnos Bett stand, kam ein gereiztes Fauchen.
Nein, nein! redete sich Angela ein. Ich habe Halluzinationen.
Sie erreichte schließlich das Fenster, fand den Riegel, und als sie ihn zurückschieben wollte, brach ihr ein Fingernagel. Erst beim zweiten Versuch konnte sie das Fenster entriegeln und aufstoßen.
Wieder erklang dieses wilde, tierische Fauchen aus dem Kinderbett.
Ich bilde mir alles nur ein!
Ein heißer Atem schlug ihr ins Genick, zwei Klauen legten sich ihr an die Schulter. Sie konnte nicht fassen, daß selbst im Kinderzimmer verborgene Schrecken lauerten, sie glaubte, daß ihre überlasteten Nerven ihr einen Streich spielten. Aber als sie auf das Fensterbrett klettern wollte, wurde sie mit unglaublicher Kraft zurückgezogen. Das Fenster verschwand aus ihrem Blickfeld, das Zimmer begann sich um sie zu drehen. Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und Tanja stürzte herein. Tausend verschiedene Eindrücke stürmten gleichzeitig auf Angela ein, während sich ein Schrei aus ihrer Kehle löste.
Wie in Zeitlupe sah sie Tanjas verzerrtes Gesicht vor sich und den Trommelrevolver in ihrer Hand, dann tauchte ein haariges Bein vor ihren Augen auf, Tanja taumelte schreiend zurück; für Angela selbst schien die Schwerkraft aufgehoben, sie schwebte durch die Luft und fiel auf die wild um sich schlagende Tanja. Ein harter Schlag traf sie im Genick, und ihr Kopf schien in den starren, weit aufgerissenen Mund Tanjas zu fallen. Dann wurde sie von der endlosen, ewigen Finsternis umfangen …
Im Keller zerrte der alte Wolf an seinen Ketten. An den Geräuschen und Schreien erkannte er, daß sich im Obergeschoß ein erbitterter Kampf auf Leben und Tod abspielte, und er konnte nicht einschreiten, mußte hilflos das Ergebnis abwarten.
Als es plötzlich ganz still im Haus wurde, wußte er, daß die Entscheidung gefallen war. War sein Sohn stark genug gewesen? Hatte das schwarze Blut gesiegt?
Er wartete und starrte mit glühenden Augen auf den Kellereingang. Sein scharfes Gehör vernahm ein Scharren, ein entferntes Keuchen und das Schleifen eines schweren Gegenstandes über den Boden. Ein Schatten bewegte sich auf der Diele, der ein unförmiges, lebloses Bündel zur Kellertreppe schleppte und es schließlich hinunterstieß.
Es handelte sich um einen Menschenkörper, um eine Frau, und als der Leichnam im Keller gelandet war, erkannte der Wolf, daß es Tanja war. Sie hielt den Revolver auch im Tode noch fest umklammert.
Er stimmte ein freudiges Geheul an und zerrte wieder an seinen Ketten. Sein Sohn hatte seinen ersten großen Kampf gewonnen!
Ein zweites lebloses Menschenbündel fiel die Kellertreppe hinunter. Es war ebenfalls eine Frau, ein Mädchen – der Wolf hatte es vorher noch nie in seinem Leben gesehen. Und dann folgte Arno, sein Sohn. Er sprang leichtfüßig zu ihm herunter, die Schnauze halb geöffnet, hechelnd, den buschigen Schweif kraftvoll und spielerisch wedelnd.
Er hielt die Schlüssel zu Roberts Hand- und Fußschellen im Maul. Als er sich auf die Hinterläufe stellte und eine Handschelle seines Vaters aufsperrte, tat er sich noch schwer mit den Pfoten. Deshalb nahm ihm Robert die Schlüssel ab und befreite seine übrigen drei Läufe selbst aus den Fesseln.
Arno, der junge Werwolf, sah seinem Vater interessiert zu, wie der mit den Schlüsseln zurechtkam, obwohl sie nicht für Wolfspfoten geschaffen waren. Dann trottete er gemächlich zur offenstehenden Kellertür und zerrte mit der Schnauze den Revolver aus der leblosen Hand seiner Mutter. Er wußte, daß ihm nicht mehr viel Zeit zum Handeln übrigblieb. Wie konnte er, ein Wolf, einen Revolver abdrücken?
Dann fand er die
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