7 Werwolfstories
Lösung.
Als der alte Wolf die letzte Kette klirrend gegen die Wand warf, sah er, daß sich sein Sohn auf die Hinterläufe gestellt hatte, den Lauf des Revolvers auf die Türklinke stützte und mit einer Pfote festhielt. Mit der anderen Pfote machte er sich am Abzug zu schaffen.
Robert, der alte Werwolf, erfaßte die Lage schnell. Er wußte, daß es für Arno keine andere Möglichkeit gab, unerkannt zu bleiben, als den Vater zu töten. Der Werwolf verwandelte sich nach dem Tode in seine Menschengestalt zurück. Für die untersuchende Behörde würde es dann einfach sein, eine Erklärung zu finden. Ein Familiendrama, in dem unglücklicherweise auch ein unschuldiges Mädchen das Leben verlor; wahnsinnige Frau martert ihren Gatten, und nachdem ihn ein Mädchen von seinen Ketten befreit hat, bringt er in einem Blutrausch seine Frau mitsamt seiner Retterin auf bestialische Weise um.
Vielleicht machten die Zeitungen sogar eine Dreiecksgeschichte daraus. Aber wie die Meinungen auch lauten mochten, das Kind, das auf so tragische Weise seine Eltern verloren hat, würde man bedauern. Wahrscheinlich wird Arno die erste Nacht als Wolf im Walde verbringen, und Suchstreifen werden ihn am nächsten Morgen finden.
Einen verstörten zehnjährigen Jungen, der die Geschehnisse vermutlich mit angesehen hat und auf und davon gerannt ist. Schock! Und sie werden ihn bemitleiden, umsorgen und umhegen.
Aber in den Vollmondnächten sollten sie sich vor ihm in acht nehmen, denn in seinen Adern fließt schwarzes Blut!
Das Mündungsfeuer blitzte auf, die Kugel bohrte sich in das Herz des alten Werwolfes und löschte sein Leben aus.
Frank Robinson Herrscher der Nacht
Ich saß da und sah dem aufsteigenden Zigarettenrauch nach. Meine Finger spielten auf den Tasten der Schreibmaschine. Heute nacht fiel mir einfach nichts ein; ich konnte mich nicht konzentrieren. Sobald ich einen Gedanken hatte, sträubte sich mein Verstand, als ob er des Arbeitens überdrüssig wäre, sich ausruhen und an das Kino- oder Fernsehprogramm oder ans Abendessen denken wollte.
Der Bogen Papier in der Schreibmaschine sah entmutigend leer aus. Bis auf die Überschrift: Chicago bei Nacht von Nick Golata. Weiter stand nichts drauf, und ich hatte auch nicht die leiseste Ahnung, was ich schreiben sollte.
Ich zog an der Zigarette, öffnete das Fenster einen Spalt und schnippte das glühende Ende hinaus. Das winzige rote Pünktchen segelte durch die Nacht, vorbei an zwanzig Stockwerken bis auf die stille Straße. Für gewöhnlich war es leicht, Ideen für die Spalte zu finden. Was geschieht in Chicago nach Anbruch der Dunkelheit, wenn die Tagschicht zu Bett gegangen ist, und die anderen sich in der kleinen Bar an der Ecke oder in den großen Kinopalästen in der City treffen, oder einsam kilometerlange Korridore in verlassenen Bürohäusern schrubben?
Ich füllte meine Lungen mit der kalten, reinen Luft und blickte über die nachtdunkle Stadt, die wie ein schwarzer Ozean unter mir lag, in dem hier und da ein Neonlicht flammte, und durch den sich die schimmernden Fäden der Straßenbeleuchtung zogen. Im Laufe der Zeit gewinnt man die Stadt lieb – wie eine alte Schreibmaschine oder ein treues Auto. Man ist verliebt in die strahlenden Lichter, in das Rumpeln der alten Hochbahn und in die Menschen der Nachtschicht.
All das gehört mir, dachte ich. Die Dunkelheit und die Schatten und die vereinzelten Menschen auf den Bürgersteigen.
Noch ein letzter Blick, dann schloß ich das Fenster. Das versprach eine von jenen Nächten zu werden, in der ich Sammy Baxa um Material bitten mußte. Ich wählte seine Nummer, lauschte dem Surren, dem Klicken und der blechernen Stille, als er den Hörer abhob.
»Hallo, Sammy«,
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