7 Werwolfstories
für Chicago bei Nacht verwenden. Ein Mörder, der nachts mit seinem abgerichteten Hund durch die dunklen Schluchten der LaSalle Street streift.«
Sammy deutete mit dem Daumen auf Rezabek. »Sie können ja heute nacht mit dem Ungarn hier den Loop durchkämmen, wenn Sie wollen. Sie hat zwar keine Verwandten, die uns im Genick sitzen könnten, aber wir haben trotzdem einen Mann für den Fall abgestellt.«
»Okay, Sammy«, sagte ich lässig. »Und vielen Dank für die Information.«
Es schneite jene leichten, weichen Flocken, die sich auf dem Mantelkragen anhäufen und einem den Nacken einfrieren, als ich Rezabek eine halbe Stunde später traf. Er stand unter einer Straßenlampe vor der Handelskammer, und das Licht ließ häßliche Schatten auf seinem Gesicht spielen.
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu lange warten lassen«, sagte ich. »Aber ich mußte in der Redaktion Bescheid geben, daß ich die Spalte etwas später liefere.«
»Werden die Zeitungen den Fall groß herausbringen?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich langsam. »Sie war ein Niemand. Wenn es nicht gerade in der City passiert wäre, würde man es bei einer einmaligen Notiz in den Lokalnachrichten bewenden lassen. Aber so ist sie wohl eine kurze Meldung auf der Titelseite wert. Mehr auf keinen Fall.«
Wir gingen die LaSalle Street ein Stück entlang. Vor einem Schuhgeschäft mit tiefer Eingangsnische blieb er stehen.
»Hier wurde sie gefunden«, sagte er. »Sie lag zusammengekauert vor der Tür. Vom Bürgersteig bis hierher führte eine Blutspur.«
Ich strich ein Zündholz an, um mir das anzusehen, aber der Neuschnee hatte alle Spuren verdeckt.
»Es fällt einem schwer zu glauben, daß wilde Hunde durch die Innenstadt streunen«, sagte ich, »obgleich es natürlich im Bereich des Möglichen liegt. Untertags könnten sie sich in den Grünanlagen verstecken und nachts herumstreunen.«
»Wenn man nach den Abdrücken der Zähne urteilt«, sagte Rezabek, »muß es ein ungewöhnlich großer Hund gewesen sein. Aber das glaube ich nicht. Und ich glaube auch nicht, daß es jemand mit einem auf Menschen dressierten Hund war.«
»Sie haben die Leiche gefunden«, ermunterte ich ihn. »Wie wäre es, wenn Sie mir alles genau erzählten? Dafür erwähne ich Sie in meiner Spalte. Namentlich.«
Er fletschte mit freudlosem Lächeln die Zähne. »Na gut, aber es klingt ziemlich phantastisch.
Es hat ja vorhin schon geschneit, und wir konnten ihre Fußspuren vom Büro bis hierher verfolgen. Es waren nicht mehr viele Leute unterwegs, und da ich sie fand, kurz nachdem es geschehen war, konnten wir ihrer Spur folgen. Sie wartete ein paar Minuten an der Ecke – anscheinend war sie mit jemandem verabredet. Dann fuhr ein Auto vor, und ein Mann stieg aus. Er muß das Mädchen erschreckt haben, denn sie rannte weg, und er verfolgte sie.«
»Er folgte ihr bis hierher«, fragte ich, »und riß ihr die Gurgel heraus?«
»Da ist noch etwas«, sagte er. »Sechs Schritte vom Rinnstein entfernt hörten die Fußabdrücke des Mannes auf und verwandelten sich in Pfotenabdrücke.«
Ich sah ihn nachdenklich an. »Das ist etwas ungewöhnlich, aber es paßt zu den alten Geschichten. Alle kleinen Kinder werden an die Zeitung schreiben und wissen wollen, wo seine Schuhe und Kleidung blieben, als er sich in einen Werwolf verwandelte.«
»Er hatte keine Schuhe an; er war barfüßig.«
»Machen Sie keine Witze«, sagte ich. »Barfuß – im Winter?« Ich starrte ihn verblüfft an. »Die moderne Version, was? Unser modernisierter Werwolf zieht sich aus und wartet in seinem geheizten Auto, bis er – sich verwandelt.«
»Seien Sie nicht albern«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie es geschehen ist, aber mit übernatürlichen Kräften hat es nichts zu tun. Wahrscheinlich war es ein Irrer
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