7 Werwolfstories
sagte ich. »Gibt es was Neues für Boswell, den berühmten Reporter?« Seine Stimme quakte zurück, und ich langte nach einem Bleistift, um mir die Adresse zu notieren. Es klang ganz nach einer großen Sache. »Abgemacht, Sammy«, sagte ich sachlich, »wir treffen uns dort.«
Ich nahm Hut und Mantel und schloß das Büro ab. Das war einer der angenehmen Vorteile, die meine Arbeit mit sich brachte. Wenn mir nichts einfiel, konnten Leute wie Sammy immer Stoff liefern.
Dafür ging ich sogar ins Leichenschauhaus.
Vor dem häßlichen braunen Gebäude im Westen Chicagos warteten zwei Männer auf mich, der große, unbeholfen wirkende Sammy Baxa, Captain des Polizeibezirks Innenstadt, und ein scharfgesichtiger Polizeileutnant namens Rezabek.
Wir schüttelten uns die Hände. »Was gibt’s?« fragte ich.
»Ein Mädchen«, sagte Sammy kurz. »Wurde auf dem Nachhauseweg umgebracht.«
Wir gingen hinein, um sie anzuschauen. Sie war so kalt und hart wie Alabaster, wie sie da in dem Raum, der nach Formaldehyd und Lysol roch, auf der Steinplatte lag.
»Man hat ihr die Gurgel zerfleischt«, sagte Sammy.
»Messer oder Rasierklinge?«
»Ich sagte zerfleischt«, wiederholte Sammy. Ich beugte mich hinunter. Es war keine glatte Wunde, wie sie von einer Rasierklinge verursacht wird.
»Verwandte?«
Sammy schüttelte den Kopf. »Wir konnten bisher niemanden ausfindig machen. Sie ist nur eine aus dem Heer der Kontoristinnen, Nick. Sie lebte in einer billigen Altwohnung in der Nähe der Universität. Sie wissen schon, die Sorte Wohnung, wo es nur eine Kochplatte gibt und das Bad am Ende des Korridors liegt. Allem Anschein nach gehörte sie zu niemandem, und niemand gehörte zu ihr.«
Der dünne, eckige Typ, dachte ich, der Magazine kauft, in denen ›wahre Geschichten‹ erzählt werden, Verehrerbriefe schreibt und von einem Ehemann und einer Vorstadtwohnung träumt. Eines der eifrig bemühten, bemitleidenswerten, nichtssagenden Geschöpfe, die man nie bemerkt – und nie vermißt.
»Wie ist es denn passiert?«
»Wie gewöhnlich. Sie machte Überstunden, verließ das Büro kurz vor Mitternacht, und Ed fand sie vor ungefähr einer halben Stunde. Sie hat wirklich Überstunden gemacht, Nick.«
Ich nickte. Sie war nicht hübsch genug, als daß sie etwas anderes als ein Arbeitstier hätte sein können. »Und ihr Chef?«
»Behauptet, er wüßte von nichts. Er wohnt in der Innenstadt, und der Hotelportier hat ihm ein Alibi gegeben. Zu der Zeit, als sie umgebracht wurde, war er in seinem Zimmer.«
»Sie haben keine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«
»Ich bin nicht ganz sicher, ob es ein Er war«, sagte Sammy. »Schauen Sie mal genau hin.«
Ich betrachtete die Leiche genauer. In dem kalten, festen Fleisch unterhalb des Kinns waren Abdrücke von Zähnen – von tierischen Zähnen.
»Ich glaube, ich verstehe«, sagte ich. »Das ist was für die öffentliche Entrüstung. Die Leute dürfen ihre Hunde nicht nachts im Jackson-Park oder auf dem Midway des Universitätsviertels frei herumlaufen lassen und so weiter.«
»Sie wurde weder im Jackson-Park noch auf dem Midway gefunden«, warf Rezabek ein. »Sie wurde in der Innenstadt gefunden, im Herzen des Loop. Sie lag zusammengekauert in einem Hauseingang nahe der Ecke LaSalle und Adams.«
Ich hatte gehört, daß Sammy einen neuen Mann eingestellt hatte, aber bis zu diesem Augenblick hatte ich Rezabek kaum Beachtung geschenkt. Er war hager, hatte scharfe Gesichtszüge, und ich stufte ihn als eiskalt und sehr kompetent ein. Ich beschloß, mich etwas näher mit ihm zu befassen.
»Ich dachte, Sie sollten als erster Bescheid wissen«, sagte Sammy. »Das ist doch sicher etwas für Ihre Spalte.«
»Danke«, sagte ich, »ich werd’s
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