7 Werwolfstories
Hineinblasen von einer Schnecke zu einer Schlange verwandeln, auf und zu rollte. »Aber es ist ein Irrtum, wenn man meint, daß sie mir beim Spielen helfen. Meist stolpern sie übereinander. Besonders diese beiden.«
Er hielt seine Hände hoch. An beiden waren Zeige- und Mittelfinger genau gleich lang.
»Ich vermute, daß Lundgren das eine Mutation nennen würde«, sagte Jarmoskowski. »Beim Klavierspielen ist es sehr lästig. Ich muß mir selbst für die leichtesten Stücke eigene Griffe ausarbeiten.«
Doris Gilmore, die früher bei Jarmoskowski in Prag studiert hatte und ihn offensichtlich immer noch liebte, schüttelte ihre kupferrote Haarmähne zurück und hielt ihre eigenen Hände hoch.
»Meine Finger sind richtige Stummel«, sagte sie bedauernd. »Wirklich nicht die Finger eines Pianisten.«
»Im Gegenteil – die Hände einer Virtuosin«, sagte Jarmoskowski. Er lächelte, kratzte geistesabwesend seine Handflächen, und Foote erblickte zwei Reihen blitzender, vollkommen gleichmäßiger Zähne. Nein, nicht ganz gleichmäßig. Die glänzenden Reihen schlössen fast mathematisch genau mit etwas längeren Eckzähnen ab. Sie erinnerten ihn an diese idiotische Geschichte von Poe – war es Berenice? Offensichtlich würde Jarmoskowski keines natürlichen Todes sterben. Ein Zahnarzt würde ihn umbringen, um in den Besitz dieses Gebisses zu kommen.
»Fünfundsiebzig Prozent der begabtesten Pianisten, die ich kenne, haben Hände wie Lastwagenfahrer«, sagte Jarmoskowski. »Auch Chirurgen, wie Lundgren bestätigen wird. Lange Finger sind meist ungeschickt.«
»Das scheint Sie jedenfalls nicht daran zu hindern, herrlich zu spielen«, sagte Newcliffe, indem er sich erhob.
»Danke, Tom.« Jarmoskowski schien die Tatsache, daß sein Gastgeber aufgestanden war, so zu deuten, daß er nicht weiterzuspielen brauchte. Er nahm die Füße von den Pedalen und schwang sich herum. Jetzt erhoben sich noch andere Gäste, auch Foote kämpfte sich aus den Tiefen des Sessels auf seine eingeschlafenen Füße. Er stellte sein Glas in sicherer Entfernung von dem Onyx-Aschenbecher auf das Tischchen und nahm bedachtsam Kurs auf Christian Lundgren.
»Chris, ich gehöre zu Ihrer Anhängerschaft«, sagte er und hatte Mühe, verständlich zu sprechen. »Aber jetzt habe ich doch eine Frage. Ich habe Ihren Vortrag gelesen, den Sie anläßlich des endokrinologischen Kongresses in Stockholm hielten. Sind Jarmoskowskis Hände nicht…«
»Ja, das sind sie«, sagte der Psychiater und sah Foote prüfend und sichtlich beunruhigt an. Plötzlich wußte Foote, was Lundgren dachte; er kannte den Wissenschaftler sehr gut. Der grauhaarige, schroffe Mann schätzte ab, wie betrunken Foote war, und ob er sich am nächsten Morgen noch an alles würde erinnern können.
Lundgren machte eine abweisende Geste.
»Ja, ich habe sie auch gesehen«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. »Wahrscheinlich eine Mutation, wie er selbst sagte. Nicht jede Frau, durch deren Haar sich eine weiße Strähne zieht, ist eine Hexe. Das muß man auch Jan zubilligen.«
»Das ist nicht alles, Chris.«
»Das ist alles, was ich in Erwägung zu ziehen brauche, denn schließlich lebe ich im zwanzigsten Jahrhundert. Jetzt werde ich zu Bett gehen und alles vergessen. Und das, mein lieber Paul, soll sowohl ein Rat als auch eine Auskunft sein.«
Er stelzte hinaus und ließ Foote stehen, der sich fragte, ob er nun beruhigt oder noch besorgter sein sollte als vorher. Lundgren mußte ja wissen, was er sagte, und sicherlich besagte der silbrige Streifen in Doris Gilmores auffallendem Haar nichts weiter, als daß die Frisur viel zu schick war für ihr junges,
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