7 Werwolfstories
Fenster hinter dem Pianisten zeigte sich im Schimmer des aufgehenden Mondes noch eine versteinerte Szenerie – die schneebedeckten Wiesen von Newcliffes schottischem Landsitz.
Noch ein Mensch mußte sich im Raum aufhalten, doch Foote konnte ihn nicht entdecken. Als er seine Augen, die schon keinen festen Punkt mehr fixieren konnten, über die Anwesenden schweifen ließ, um sie zu zählen, versagte sein Gedächtnis, und er kam zu keiner Endsumme. Aber der Eindruck blieb, daß es noch jemanden gab, der vorher nicht dagewesen war. Jemand, den Tom und Caroline nicht eingeladen hatten. Nicht Doris oder der Labour-Politiker Palmer; die beiden waren zu normal. Auch Bennington, der amerikanische Kritiker, wirkte viel zu dick und gemütlich, als daß er als unheimlich drohendes Wesen hätte betrachtet werden können. Den Psychiater Lundgren hatte Foote in Schweden näher kennengelernt, und Hermann Ehrenberg war bloß einer der vielen emigrierten Schriftsteller und zählte überhaupt nicht; und wenn er schon dabei war, so galt ein Schriftsteller in der Welt eines Malers so gut wie nichts, und damit schied auch Alec James aus.
Sein Blick wanderte unwillkürlich zum Komponisten zurück. Jarmoskowski konnte es nicht sein, er war schon dagewesen. Aber er hatte irgend etwas damit zu tun. Ein elftes Wesen hatte sich dazugesellt, und es stand mit Jarmoskowski in Zusammenhang.
Was war es?
Denn es war da – kein Zweifel. Die Energie, die normalerweise von Footes Verstand verbraucht worden wäre, strömte jetzt seinem Instinkt zu; denn seine Sinne waren betäubt. Mit schmerzhafter Deutlichkeit erfühlte sein Instinkt die Anwesenheit des Ungeheuers. Es hielt sich am Flügel auf, saß neben Jarmoskowski, verschmolz mit dem langen Körper und den schlangengleichen Fingern.
Foote hatte noch nie unter Säuferwahn gelitten, und er wußte, daß es auch jetzt nicht so war. Ein Teil seines Geistes, der nicht betrunken war und auch nie betrunken sein würde, hatte erkannt, daß sich irgendwo in diesem Raum das Grauen eingeschlichen hatte. Und da sein Verstand keinen skeptischen Schutzwall errichten konnte, erzitterte er bis ins Innerste.
Der rasende Flug der Töne brach abrupt ab. Foote zwinkerte überrascht.
»Schon?« fragte er überrascht.
»Schon?« echote Jarmoskowski. »Aber das war ein langes Stück, Paul. Ihr Erstaunen schmeichelt meiner Kompositionskunst.«
Seine Augen blickten direkt auf den Maler; sie waren gerötet, obgleich Jarmoskowski niemals trank. Foote versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, ob sie schon am Nachmittag so gewesen waren, und ob es überhaupt möglich war, daß menschliche Augen so rötlich schimmern konnten, wie es bei dem Pianisten der Fall war.
»Ihre Kompositionskunst?« sagte er, indem er versuchte, sein Gehirn wieder unter Kontrolle zu bekommen. Newcliffes Highballs waren wirklich verdammt stark. »Das kaum, Jan. Aber solche Finger könnten selbst der Melodie von ›Hänschen klein‹ Faszination verleihen.«
Er amüsierte sich innerlich über die vielfältigen Gefühle, die sich in Jarmoskowskis Miene spiegelten: Verwunderung über ein Kompliment von Foote – denn der Maler war bekannt für seine scharfe Zunge; und die unerklärliche Feindschaft, die bei ihrem ersten Zusammentreffen entstanden war, hatte Foote reichlich Gelegenheit gegeben, diesen seinen Ruf zu festigen –, dann nachdenkliche Überlegung und schließlich verhüllter Ärger, als ihm der Hohn, der in Footes Worten versteckt war, klar wurde. Trotzdem konnte er darüber lachen.
»Ja, die sind lang, nicht«, sagte er zu den anderen, indem er seine Finger wie eine dieser quäkenden Blasrollen, die sich beim
Weitere Kostenlose Bücher