7 Werwolfstories
Hexenverbrenner Cotton Mather eins auszuwischen.«
Ich lockerte meinen Hemdkragen noch mehr und machte den nächsten Hemdknopf auf.
»Da fällt mir ein«, sagte er plötzlich, »daß ich Ihnen etwas zeigen wollte. Sekunde.« Er ging in die Kammer und holte ein paar Fotos. »Die habe ich vor ein paar Stunden aufgenommen.«
Die Fotos waren scharf. Sie zeigten die zusammengekauerte Leiche im Türeingang, die roten Tropfen im Schnee und die Fußspuren, die auf sie zugingen und plötzlich keine Fußspuren mehr waren.
»Ich dachte, das würde Sie interessieren«, sagte er.
»Sehr hübsch geworden«, sagte ich. »Selbst entwickelt?«
Er nickte und wies in Richtung auf das Kämmerchen. »Meine Dunkelkammer«, sagte er.
»Sehr nett«, murmelte ich, betrachtete die Fotos noch einen Moment und gab sie ihm wieder zurück. Dann gähnte ich, beugte mich hinunter und fummelte an meinen Schuhen herum.
»Was ist los?«
»Nichts«, sagte ich. »Ich mache nur die Schnürsenkel ein bißchen lockerer.«
Die City war kalt und still. Im Osten zeigte sich der erste schwache Schimmer der Morgendämmerung. Niemand war auf der Straße, ausgenommen vielleicht ein paar Zeitungsjungen und die Milchwagen.
Ich konnte hören, wie Sammy das Ende einer Zigarre wegschnippte und dann ein Streichholz an seinem Daumennagel anriß.
»Was ist das Thema der heutigen Spalte?« fragte er.
»Ach, nichts Aufregendes«, erwiderte ich. »Wie sich die Fahrstuhlführer in den großen Häusern der Innenstadt die Nachtstunden vertrieben. Ich hatte die Spalte mal auf Vorrat geschrieben, und vor ein paar Stunden sagte ich in der Redaktion Bescheid, daß sie gedruckt werden soll. Ich hatte keine Lust, etwas Neues zu schreiben.«
Ich wandte mich vom Fenster ab, zerriß langsam einen Brief und verbrannte die Schnitzel im Aschenbecher.
»Ich möchte mal raten«, sagte Sammy. »Der Brief kam von einer schwärmerischen Kontoristin, die dich um ein abendliches Rendezvous bat.«
Ich schwieg, sah zu, wie das Papier brannte und legte ein paar zerknüllte Negative obenauf. Sie flammten auf und verglühten zu pulvriger Schlacke.
»Du solltest besser aufpassen, wenn du jemanden neu einstellst, Sammy«, sagte ich.
»Wie ich sehe, hast du die Fotos bekommen.«
»Nicht ohne Schwierigkeiten; er gedachte uns damit zu erpressen.«
»Was ist aus ihm geworden?«
Ich grinste wölfisch. »Er liegt mit zerfleischter Kehle in seinem Zimmer.«
Ich wandte mich wieder zum Fenster zurück und blickte auf die froststarrende Stadt. Am Tag gehörte sie den Guten, den Braven, der Tagschicht. Aber Sammy und ich waren die Herrscher der Nacht. Wir – und die anderen.
»Dieser lausige Vampir!« sagte ich kalt. »Bildete sich ein, er könnte sich in unser Gebiet eindrängen!«
James Blish Wenn die Wolfsblume blüht
Gegen 22 Uhr gelangte Paul Foote zu der Ansicht, daß ein Ungeheuer an der Party bei den Newcliffes teilnahm.
Um diese Zeit hatte Foote schon viel getrunken – mehr als gut für ihn war. Er räkelte sich im vorderen Zimmer in einem zu bequemen Sessel, die Beine weit von sich gestreckt, die Arme auf den hohen Sessellehnen. Seine rechte Hand hielt mit losem Griff ein halbleeres Glas. Der dunkle Fleck auf einem grauen Hosenbein zeigte, wohin ein Teil des Glasinhalts geflossen war. Mit halb geschlossenen Augen beobachtete er Jarmoskowski am Flügel.
Der Pianist spielte endlich seine Transkription der Szene in der Wolfsschlucht aus dem ›Freischütz‹ von Weber. Obgleich es sich um ein brillantes technisches Renommierstück handelte, hatte Jarmoskowski es nie in öffentlichen Konzerten, sondern nur auf Gesellschaftsabenden gespielt. Er spielte es mit einem merkwürdig distanzierten Amüsement, wodurch die
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