7 Werwolfstories
sanftes Gesicht. Mit Jarmoskowski stand es anders; wenn er, trotz Lundgrens gegenteiliger Meinung, genau das war, was er zu sein schien.
Die Party ging auch ohne die Beteiligung von Foote und Lundgren munter weiter. Überall bildeten sich Gesprächsgruppen. Jarmoskowski und Doris saßen auf der Klavierbank und sprachen leise miteinander, hier und da unterbrochen durch ein paar brillante Läufe; anscheinend zeigte der Pole ihr, wie man die Sonate von Hindemith, die sie vor dem Abendessen dargeboten hatte, noch besser spielen konnte. James und Ehrenberg sezierten mit zivilisierter Brutalität ihre gegenseitigen Neuerscheinungen, und Newcliffe lauschte ihnen hingerissen. Die sanftmütige Caroline Newcliffe unterhielt sich lebhaft mit Bennington und Palmer über Nichtigkeiten. Niemand vermißte Lundgren, und es schien noch weniger wahrscheinlich, daß man Foote vermissen würde.
Mit wackliger Nonchalance spazierte er ins Eßzimmer, wo der Butler noch mit dem Abräumen beschäftigt war.
»‘tschuldigung«, sagte er. »Ein kleiner Versuch, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich geb’s morgen zurück.« Er nahm sich ein Messer vom Tisch, suchte die Tür vom Eßzimmer zur Diele und propellierte sich hindurch. Der Korridor war dämmrig, aber ausreichend erleuchtet; die Gespräche nebenan waren gut zu verstehen.
Als er an der Glastür vorbeiging, sah er durch den Store Bennington am Flügel stehen, der den Unterricht verfolgte. Gerade als Foote das Messer in die Jackentasche schob, klang Benningtons Stimme auf. Foote blieb stehen; er war ein unheilbarer Lauscher an der Wand.
»Foote hat seinen Ölkopf zu Bett gebracht«, bemerkte Bennington. »Ich fühle mich erleichtert. Ich dachte, er würde sich noch viel unangenehmer aufführen.«
»Weshalb hat er beim Abendessen soviel Wirbel wegen des Silberbestecks gemacht?« fragte das Mädchen.
»Tut er das immer?«
»Oft. Er ist wirklich ein großer Künstler, aber wenn man seiner Zeit um Jahre voraus ist, wirkt sich das häufig nachteilig auf das Nervensystem aus.«
»Er hat mich fast aus dem Konzept gebracht«, gestand Jarmoskowski. »Die ganze Zeit hat er mich angestarrt, als ob ich Wiederholungen vergessen hätte.«
Bennington lachte. »Die Gegenwart eines anderen anerkannten Künstlers scheint ihn bösartig zu machen. Sie sollten sich geschmeichelt fühlen, Jan.«
Footes Aufmerksamkeit wurde durch ein gewaltiges Gähnen von Palmer abgelenkt. Der Labourmann zeigte damit an, daß er sich langweilte und in Kürze ohne weitere Formalitäten verschwinden und zu Bett gehen würde. Zögernd ging Foote weiter; hinter ihm verklang das Stimmengewirr. Mit herabgezogenen Mundwinkeln ging er an der Treppe vorbei und weiter den Korridor entlang.
Ehe er die Tür seines Zimmers zumachte, lauschte er noch einen Augenblick Jarmoskowskis Spiel, dem einzigen Laut, der aus dieser Entfernung noch vernehmbar war. Dann schloß er die Tür. Die Leute mochten über ihn reden, was sie wollten, auch wenn es manchmal der Wahrheit entsprach. Aber vielleicht würde Jarmoskowski um Mitternacht eine Vorstellung ganz anderer Art geben.
Und in diesem Fall würde Foote froh sein, ein Messer zu haben.
Um 23.30 Uhr stand Jarmoskowski allein auf der Terrasse von Newcliffes Landsitz. Obgleich kein Wind ging, war die Nacht stechend kalt, doch er schien das nicht zu bemerken. Er stand regungslos, wie eine schwarze Statue, und nur die Atemluft, die wie ein Dampf strahl aus seiner Nase strömte, verriet, daß er lebte.
Durch den Schleier der Moirevorhänge vor Footes Fenster hatte Jarmoskowski das Aussehen einer hohen Säule aus schwarzem Stein – einer Säule, die über einem
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