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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schön und herzlich darum!“
    Sie trat zu Martha, legte ihr den Arm um den Nacken und sah ihr bittend in das Gesicht. Die Weinende trocknete sich die Tränen ab und antwortete:
    „Mit dera Silbermartha wollens Freundin sein? Das ist wirklich Ihr Ernst?“
    „Freilich ist's mein Ernst. Ich hab vorhin nicht ausreden könnt. Wann 'S nicht geweint, sondern mir Zeit gelassen hätten, weiter zu sprechen, so hätten 'S hören könnt, daß ich viel besser von Ihnen denk, als es den Anschein hat.“
    „Wie ist das möglich? Ein jeder, der mich kannt hat, muß mich verurteilen.“
    „Das dürfen 'S nicht sagen!“
    „O doch. Wann ich anders gewest wär, so hätt vielleicht manches nicht geschehen können.“
    „Nein. Da haben 'S unrecht; da klagen 'S sich selbst falsch an. Ihr Vater war ein Mann, der nicht auf Ihre Warnung hört hätt, und Ihr Bruder auch. Beide waren gewalttätige, rücksichtslose Leute, welche kein Mensch hätt ändern und bessern könnt. Darauf können 'S sich verlassen. Sie dürfen's mir nicht übel nehmen, daß ich in dieser Weis von denen Ihrigen sprechen tu. Ich muß es aber, um den Vorwurf, den Sie sich selber machen, von Ihnen zu nehmen. Und freisprechen muß ich Sie noch viel weiter. Sie haben gar nicht anderst sein können als wie Sie gewest sind. Sie haben ja keine Muttern gehabt und sind stets nur dem Einfluß dieses Vaters ausgesetzt gewest. Da war's natürlich ganz richtig, daß Sie keine heilige Veronika sein konnten.“
    „Auch ich habe mir zuweilen ganz dasselbe gesagt; aber es gibt trotzdem noch Punkte, über welche ich mir selbst nicht hinweghelfen kann.“
    „So nennen 'S mir diese Punkte. Ich werd Ihnen gleich hinüberhelfen.“
    „Das können Sie nicht.“
    „Oh, ich kann es, ich kann es!“
    „Sie müßten meine früheren Verhältnisse sehr genau kennen.“
    „Das ist ja auch der Fall.“
    „Und doch stammen Sie aus einer Gegend, welche so entfernt von meiner Heimat ist.“
    „Das tut nix. Ich hab einen guten Bekannten, der mir alles verzählt hat. Es sollte mich wundern, wann Sie ihn auch nicht kennen täten.“
    „Wer ist es?“
    „Dera Wurzelsepp. Kennen Sie ihn?“
    „Ob ich ihn kenne, den Wurzelsepp! Oh, nur zu gut! Ich hab ihn kannt, als ich noch ein kleins Dirndl war. Er ist oft bei uns einikehrt, und zuletzt, da ist er's ja gewest, der meinen Vater vor das Gericht bracht hat, er und – und ein anderer noch!“
    Das letztere sagte sie leise und stockend. Sie senkte den Kopf und blickte trostlos vor sich nieder. Leni schlang die Arme um sie, zog sie von dem Stuhl fort auf das Sofa, setzte sich neben sie und sagte:
    „Jetzt kommen 'S mal her zu mir! Ich sehe, was für ein großes Unglück und Herzeleiden Sie zu tragen haben. Da muß ich schon den Doktoren machen und Ihnen Hilfe bringen.“
    „Hilfe? Dafür gibt's keine Hilfe!“ antwortete Martha, den Kopf schüttelnd.
    „Es wird schon eine geben, wann sie auch nicht sogleich vom Himmel herabfällt. Dera Wurzelsepp hat mir alles, alles verzählt, so daß ich die Sach grad so genau weiß, als ob ich damals mit in Hohenwald gewohnt hätt. Dera alte Sepp hat immer nur gut von Ihnen sprochen, und daßt siehst, daß ich auch gut von dir denk, so will ich dich bitten, du zu mir zu sagen. Willst, Martha?“
    Sie zog sie freundlich an sich. Martha sah mit einem unbeschreiblichem Blick zu ihr auf. Schmerz, Hoffnung, Dankbarkeit sprachen sich zugleich in demselben aus.
    „Wolltest das wirklich wagen?“ fragte sie. „Ich bin doch die Tochter eines Mörders und die Schwester eines Zuchthäuslers!“
    „Was geht mich das an?“
    „So sagen andre nicht!“
    „Was andre denken und sagen, das nehm ich mir nicht zur Richtschnur. Du bist brav, und du bist an allem unschuldig gewest. Als du ahnt hast, daß der deinige Vater ein schlechter Kerlen sei, da bist auf- und davongegangen und hast nix mit ihm zu tun haben wollen. Das ist deine Rechtfertigung. Mehr kann man nicht von dir verlangen. Und wie hast leiden und dulden müssen in dera Fremd! Hast keine Menschenseel, der du dich anvertrauen kannst, keine einzige wohl, nicht wahr?“
    „Ja“, antwortete Martha, indem sie wieder in Tränen ausbrach. „Ich kann ja mit niemand darüber reden. Ich darf nicht mal sagen, daß ich so eine reiche Bauerntochter gewest bin, sonst würd ich sogleich gefragt, wie es kommen ist, daß ich nun die Dienstbotin machen muß. Und weil ich nicht von alledem reden darf, so kann ich auch nix aus dera Heimat derfahren. Und doch möcht ich so

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