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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fort, in ein fernes, weites Land. Dort scheint die Sonn heller als bei uns. Er wird den kleinen Gram, den ich ihm bereitet hab, schnell vergessen haben, und sein Herz gehört nun längst einer anderen.“
    „Das glaub ich nicht. Er hat gar nicht so ausschaut wie einer, der so schnell vergessen kann.“
    „Hast dir ihn daraufhin angesehen?“
    „Ja. Er war so ernst, so –“
    „Das war er stets.“
    „Aber auch so trüb. Man hat, sobald man nur fünf Minuten mit ihm sprochen hat, sogleich merken müssen, daß er ein stilles Leiden mit sich trägt. Und ich hab ja auch die Rede auf die Lieb und auf das Heiraten bracht. Da hat er den Kopf schüttelt und dabei sagt, daß er wohl einsam seinen Weg durchs Leben gehen werde.“
    „Das war wohl nur Redensart.“
    „Nein, denn er hat, als mal die Gelegenheit dazu war, es als seine Überzeugung ausgesprochen, daß man nur ein einziges Mal lieben könne. Und was der sagt, das hat ein Gewicht. Er ist keiner, der viel überflüssige Worte macht.“
    Martha wollte antworten; aber draußen hatte es geklingelt. Man hörte die Wirtin sprechen und eine männliche Stimme antwortete. Dann klopfte die erstere an, gab eine Karte ab und fragte, ob der Herr eintreten dürfe.
    Leni las den Namen ‚Hugo Goldmann‘. Eine Bezeichnung stand nicht dabei. Eigentlich befand sie sich nicht in der Stimmung, den Besuch eines Fremden anzunehmen, zumal sie noch mit dem Auspacken ihrer Effekten beschäftigt war. Aber grad daß ein ihr völlig Unbekannter sie so kurz nach ihrer Ankunft in Wien zu finden wußte, das interessierte sie. Darum bestimmte sie, daß er eintreten solle. Martha zog sich natürlich mit der Wirtin zurück.
    Der Eintretende war ein wohlbeleibter älterer Herr, nach der neuesten Mode gekleidet, einen goldenen Klemmer auf der Nase und die Uhrketten voller Berlocken hängend. Er machte den Eindruck eines Lebemannes, der aber auch ein Geschäft richtig zu poussieren weiß.
    Als er die Leni erblickte, zog er die Augenwinkel ein wenig zusammen, als ob er sich enttäuscht fühle. Er blickte im Zimmer umher, als ob er erwarte, noch eine zweite Person zu finden, welche der Vorstellung, die er sich von der Sängerin gemacht hatte, entsprechender sei. Dann sagte er, indem er sich nicht zu tief verbeugte:
    „Ich hoffte, Signora Ubertinka zu sehen.“
    „Dieser Wunsch ist Ihnen erfüllt“, antwortete Leni lächelnd.
    Er schob den Klemmer fester auf die Nase und fragte verwundert:
    „Wirklich! Sie selbst sind die Signora?“
    „Ja.“
    „Ah so! Dann Verzeihung, daß ich mich mit meiner Hochachtung etwas verspäte!“
    Er trat auf sie zu, um ihre Hand zu ergreifen und einen Kuß auf dieselbe zu drücken. Leni aber wich zurück, so daß er die erwähnte Hochachtung nur durch eine tiefe Verneigung bezeugen konnte.
    „Nehmen Sie Platz!“
    Diese Worte waren in einem fast befehlenden Ton ausgesprochen. Er schien das nicht gewohnt zu sein und nicht erwartet zu haben, denn er warf ihr einen fragenden Blick zu, bevor er ihrer Aufforderung nachkam. Als er dann saß, sagte er, auf einen zweiten Sessel deutend:
    „Bitte, meine Gnädige, wollen Sie nicht auch Platz nehmen?“
    „Danke. Ich spreche am liebsten im Stehen und habe auch keine Veranlassung, zu glauben, daß unsere Unterredung eine ermüdend lange sein werde.“
    „Je nachdem; sie kann kurz oder lang werden, ganz wie Sie wollen. Ich komme mit einem Wunsch und werde nicht eher gehen, als bis Sie mir denselben erfüllt haben. Je schneller Sie ihn erfüllen, desto eher werde ich gehen.“
    Er sagte das in einem Ton, als ob es ganz selbstverständlich sei, daß sie, wenn auch gleich oder später, auf diesen Wunsch eingehen werde.
    Leni lehnte sich ihm gegenüber leicht an ein Möbel. Sie antwortete nicht und sah ihm nur lächelnd in das Gesicht. Das schien ihn gar nicht irrezumachen.
    „Kennen Sie meinen Namen?“ fragte er:
    „Nein. Das heißt, den Namen Goldmann habe ich oft gehört; Herrn Goldmann aber, welcher sich gegenwärtig bei mir befindet, kenne ich nicht.“
    „Ich bin Theateragent.“
    „Ah! Hm!“ nickte sie. „Da sind Sie mir allerdings per Renommee bekannt.“
    „Freut mich. Und welcher Art ist dieses Renommee, wenn ich fragen darf?“
    „Ein sehr gutes.“
    „Freut mich, freut mich! Ich darf da hoffen, daß sie mir nicht viel Mühe machen werden.“
    „Auch ich glaube, daß wir uns unsere Ansichten in möglichster Kürze mitteilen können.“
    Sie lächelte ihm immer noch in einer Weise entgegen, welche er

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